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Archiv-Artikel

Who Is Right?

EUROVISION SONG CONTEST 21 Uhr, Kopenhagen: 26 Acts sind dabei. Wer triumphiert, wer grottelt und wird Letzter? Objektive Prognosen

The Must to Know

 Wann? Heute 21 Uhr aus der B&W-Werfthalle in Kopenhagen (ARD und eurovision.de). ARD-Kommentator: Peter Urban. ■  Wer nimmt teil? 26 Länder. 11 der angereisten konnten schon wieder nach Hause, darunter: Estland, Lettland, Belgien, Moldawien, Portugal, Albanien. ■  Abstimmung? Jede Länderwertung setzt sich zur Hälfte aus Juryurteil und zur anderen Hälfte aus dem Televoting zusammen. Für das eigene Land darf man nicht werten; die Krim zählt eurovisionär dieses Jahr noch zur Ukraine. ■  Performances: Gesungen werden muss live, der Rest kommt vom Band. Jeder Act darf höchstens mit sechs Leuten auftreten. ■  Sprachen: In welcher Sprache gesungen wird, steht frei. Landessprachenzwang abgeschafft. Mixen ist erlaubt, etwa Englisch und Hebräisch (Israel). ■  EU & Nicht-EU: 16:10 ■  Ost & West: 16:10 ■  Blöcke & Nachbarschaften: Alle fünf skandinavischen Länder sind im Finale und fünf von zehn der früheren Sowjetunion. Ebenso die drei deutschsprachigen: Schweiz, Österreich und Deutschland – Nachbarschaftspunkte haben die sich jedoch selten gegeben.

AUS KOPENHAGEN JAN FEDDERSEN

1 Ukraine – Marija Jaremtschuk: Tick-Tock. Die einstige Janukowitsch-Freundin guckt keck in die Kameras, darf auf politische Solipunkte hoffen – und muss dies auch. Ihr Lied hat etwas von Lulu-Pop, allerdings ohne Geheimnis. Chancenarm.

2 Weißrussland – Teo: Cheesecake. Erfreut keine Freunde völkischen Slawentums – ein Liedlein, das nicht sehr stört. Der Sänger muss wissen: Von diesem Startplatz aus hat noch nie jemand den ESC gewonnen. Mittelfeldkandidat.

3 Aserbaidschan – Dilara Kazimova: Start A Fire. In den USA abgemischter Verschnitt mit kaukasischen Polyphonietonspuren im Hintergrund. Schöne Ballade – aber das Publikum will den ESC vorläufig nicht wieder in Baku wissen. Top Ten.

4 Island – Pollapönk: No Prejudice. Vollbart als Trend ist in Reykjavik angekommen, offenbar. Lustiges Ding von quietschbunten Kerlen, die auf ihre Weise versuchen, ihre Insel als lustig und libertär darzustellen.

5 Norwegen – Carl Espen: Silent Storm. Eine Art Kenny Rogers auf jung und fjordisch. Der Ex-Tischler und Ex-Metal-Club-Türsteher singt so sanft wie an diesem Abend niemand. Ein Soulist, verschmust und tapsig. Wird vorne landen.

6 Rumänien – Paula Seling & Ovi: Miracle. Viel Tand auf dieser Bühne der beiden ESC-Veteranen, Drittplatzierte von Oslo. Schwungvolles Lied, trotzdem doof. Allein: Die beiden RumänInnen sind so extrasympathisch. Oberes Mittelfeld.

7 Armenien – Aram MP3: Not Alone. 10CC reloaded: Ballerschnulze eines Mannes, der immer sagte, er werde gewinnen. Nachtclubmusik, sehr schöne Harmonien und hymnische Steigerung. Viel zu viel Feuerwerk. Mitfavorisiert.

8 Montenegro – Sergej Cetkovi: Moj Svijet. Noch ein Schmachtfetzen. Erstmals ist dieses Land im ESC-Finale. Lohnt sich zu hören, nur die Rollschuhläuferin stört – was macht sie da bloß? Torkelt sie bitte mal? Unteres Mittelfeld.

9 Polen – Donatan & Cleo: My Slowianie – We Are Slavic. Ist doch nur ironisch gemeint, diese absichtsvoll auf Vollbusigkeit setzende Nummer, nur um die Slawenseligen zu veräppeln. HipHop auf Weichselniveau. Unteres Drittel.

10 Griechenland – Freaky Fortune fest. RiskyKidd: Rise Up. Das Lied zur Krise auf dem Peloponnes. Drei junge Männer, deren Liedmoral so lauten könnte: Arsch hoch und fleißig arbeiten. Oberes Drittel.

11 Österreich – Conchita Wurst: Rise Like A Phoenix. Wird sie ihr Land von dem Udo-Jürgens-Trauma erlösen, der zuletzt den ESC nach Wien holte, 1966? Sie hat alles, um das zu schaffen: Lied, Personality, Nerven, Look. Favoritin.

12 Deutschland – Elaiza: Is It Right? Werden Sie in letzter Minute noch von der Regie liebevoller behandelt? Nicht so statisch eingetopft vor der Bühnenwand? Die können live, sie haben keine Chance, sie werden sie nutzen. Top Ten.

13 Schweden – Sanna Nielsen: Undo. Der mitteltemperierteste schwedische ESC-Act seit irgendwann. Triebgehemmtes Geflenne um Dinge, die ungeschehen gemacht werden mögen. Nette Sängerin, nette Frisur. So what? Oberes Drittel.

14 Frankreich – TwinTwin: Moustache. Mal wieder munterer zur Halbzeit: Ein Act, der Kenner neobildungsbürgerlicher Kultur in Deutschland leicht ans „Studio Braun“ erinnert und dem Schnurrbart ein Lob ausbringt. Unteres Drittel.

15 Russland – Tolmatschew-Schwestern: Shine. Grotesk laberiges Liedlein von zwei Sängerinnen, die von den TV-Leuten mit Kreml-Nähe als Notlösung in letzter Minute nominiert wurden. Bitte nicht buhen – sie können ja nichts dafür. Mittelfeld.

16 Italien – Emma Marrone: La mia città. Gianna Nanninis Tochter? Enkelin? Die San-Remo-Siegerin hat ein pseudokritisches Lied über die Ödnis der Städte und die Wirren der Krise im Angebot. Brokathaft und zu rockig. Unteres Mittelfeld.

17 Slowenien – Tinkara Kovac: Round And Round. Flöten vor langem, bauschigem, blauem Kleid, kehliger Gesang eines Beitrags, der so flüchtig ist, wie es selbst bester Pop nicht sein sollte. Unteres Drittel ganz unten.

18 Finnland – Softengine: Something Better. Wenn am Polarkreis mit Coldplay gechillt wird: So was kommt im günstigsten Fall dabei raus. Haben wie alle Finnmusikanten Lordi als Idole. Schön, frisch und gut. Oberes Mittelfeld.

19 Spanien – Ruth Lorenzo: Dancing In The Rain. Menschen mit Neigung zu dramatischen Liedsteigerungen dürfen Taschentücher hervorkramen: Aber diese Dramaschnulze klingt seelenlos, wie am Reißbrett entworfen. Letztplatzverdächtig.

20 Schweiz – Sebalter: Hunter Of Stars. Gnade ließ dieses europäische Land ins Finale rutschen. Der Mann pfeift wie dereinst Ilse Werner – um zu vertuschen, dass sein Englisch seltsam klingt? Vorletzter kann er werden, mehr nicht.

21 Ungarn – András Kálley-Saunders: Running. Wer gegen Lieder ist, die wichtigwichtig tun und Themen wie Kindesmissbrauch verhandeln, darf jetzt live verabscheuen. Trotzdem ein okayes Musicalstückchen. Mittleres Drittel.

22 Malta – Firelight: Coming Home. Noch so ein Act, der Wichtiges transportieren will: Frieden überall zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Folkig, rasant, flott, gut – das ist, was zählt. Sieht auch gut aus. Oberes Drittel.

23 Dänemark – Basim: Cliché Love Song. Endlich ein Lied, das nicht aus winterlichen Gefühlen der Schwere und Kälte schöpft, sondern den Sommer erahnen lässt. Schöpft aus Phillysound-Erbschaften. Klasse! Mitfavorisiert.

24 Niederlande – The Common Linnets: Calm After The Storm. Schönste Post-Indie-Country-Nummer, die je im ESC lief. Fleetwood Mac ohne Refrain? Ein Koloss an Smartness und Liebe. Schöne Menschen. Dark Horse. Mitfavorit.

25 San Marino – Valentina Monetta: Maybe. Rätselhaft: Mit einem der schlechtesten Lieder seines Oeuvres schaffte es Tondichter Ralph Siegel erstmals wieder ins Finale. Pastose Ästhetikhavarie. Letztplatzverdächtig.

26 United Kingdom – Molly Smitten-Downes: Children Of The Universe. Eine junge Frau mit sensationellem Echtnamen versucht in die Schuhe von Nicole („Ein bisschen Frieden“) zu schlüpfen. Nett! Oberes Mittelfeld.