der wochenendkrimi
: Kalte Witze

„Tatort Münster – Das zweite Gesicht“ (So., 20.15 Uhr, ARD)

Schnippeln kann man nur, wenn das Fleisch weich ist. Und so lässt Professor Boerne (Jan Josef Liefers) der gefrorenen Leiche auf seinem Seziertisch noch ein paar warme Brisen mit dem Föhn angedeihen. Doch nicht nur in der Pathologie herrschen Kühlraumtemperaturen, ganz Münster ist ein Eisklotz. Kommissar Thiel (Axel Prahl), ansonsten konsequent Single, liebkost deshalb die Heizungsrohre seines Büros. Die Untersuchungen in einer eisigen und verwaisten Villa, in die er gerufen wird, erscheinen nicht attraktiv.

Doch ebendort fand man die Leiche einer Hellseherin. Vor Jahren ist hier schon einmal Schreckliches passiert. Ein Familienmassaker. Bald schiebt sich der alte Fall vor den neuen: denn die Ermittlungen laufen bei Franziska Steinhagen (Livinia Wilson), der überlebenden Adoptivtochter der ermordeten Sippschaft, zusammen.

Ein bisschen „Amityville Horror“, ein bisschen Nachbarschaftsforschung, ein bisschen Familientragödie: Wie sich das über die letzten Jahre eingebürgert hat, werden auch in „Das zweite Gesicht“ (Buch: Matthias Seelig, Claudia Falk), der zehnten Episode des Münsteraner Tatorts, unterschiedliche Genre-Zutaten zur schwarzen Komödie vermischt. Regisseur Tim Trageser („Tollpension“) inszeniert das Ganze durchaus pointiert. So findet etwa Thiel seinen Vater im Bett mit der Staatsanwältin – die den 40-jährigen Ermittler dann jovial über die körperlichen Bedürfnisse von Erwachsenen aufklärt.

Diese Situationskomik in der Jubiläumsepisode offenbart aber auch die Schwächen des Münster-„Tatorts“: Die Witze sind so gut, dass das Krimidrama oft dahinter verschwindet. Was für ein Geheimnis hat zum Beispiel die Adoptivtochter, um die der aktuelle Fall gebaut wurde? So richtig wollen das die Filmemacher wohl gar nicht wissen. Die junge Frau ist dazu verdammt, als tragisches Gespenst durch diesen heiteren Krimi-Hokuspokus zu spuken. C. BUSS