„Viele im Apparat vertrauten ihm nicht“

Die US-Regierung könnte nach der Wahlschlappe der Republikaner ihren Irakkurs ändern. Die Krise wird sie nicht überwinden, auch nicht mit dem neuen Verteidigungsminister Robert Gates, sagt der Sicherheitsexperte Paul Pillar

taz: Was ist von Donald Rumsfelds Nachfolger Robert Gates zu erwarten?

Paul Pillar: In dieser Regierung und angesichts ihrer Politik spielt es kaum eine Rolle, wer Verteidigungsminister ist. Die USA haben sich selbst in eine Situation manövriert, aus der es keine geglückten Auswege mehr gibt. Weder Bob Gates noch ein anderes Mitglied der Baker-Hamilton-Kommission zur Lage im Irak wird mit einem Vorschlag aufwarten können, der nicht zahlreiche Schwächen und Nachteile beinhalten wird.

Wird Gates also genau wie Rumsfeld agieren?

Der Stil mag ein anderer werden. Aber ich habe große Zweifel, dass ab jetzt das Pentagon anders geführt werden wird. Bob Gates ist auch ein Mensch mit starkem Willen. Er hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er ein erfahrener und geschickter Operateur in der Bürokratie ist. In vielerlei Hinsicht wird er gut in diese Regierung passen. Sicher wird die Beziehung zwischen Gates und den Männern in Uniform besser werden, als sie es unter Rumsfeld war. Aber wenn Gates bestätigt wird, werden wir bald von schwierigen Zeiten im Pentagon hören.

Waren Sie überrascht, dass Verteidigungsminister Donald Rumsfeld so kurz nach der US-Kongresswahl abgetreten ist?

Ich war nicht so sehr von der Tatsache überrascht, dass Rumsfeld abtritt, nachdem er ein solches Symbol für die Probleme der USA im Irak geworden ist. Dass er so schnell abtritt, das hat mich jedoch verwundert. Das zeigt, dass die Regierung Bush sehr wohl hinter verschlossenen Türen eingesteht, im Irak gescheitert zu sein. Offensichtlich wollte sie dies aber auf keinen Fall vor der Kongresswahl öffentlich demonstrieren.

Für was stand Rumsfeld?

Rumsfeld kam mit der Idee ins Amt, dass die USA militärische Einsätze ebenso gut mit geringerer Truppenstärke und mit weniger Material bewerkstelligen könnten. Rumsfeld, darüber wurde ja vielfältig berichtet, hat weder Gebrauch gemacht von den Kenntnissen der zivilen Führung im Pentagon noch von den Erkenntnissen seiner professionellen Militärs. Dazu hatte er einfach keine Geduld. Zum System Rumsfeld gehören aber ebenso Vizeminister Paul Wolfowitz, der Staatssekretär Douglas Feith und andere.

Präsident George Bush hat stets betont, dass die konkreten Entscheidungen im Irak von der Generalität gekommen sind – und nicht von der Pentagonspitze. Wer hat also mehr Verantwortung für das Desaster im Irak?

Den Kurs hat natürlich die Pentagonspitze vorgegeben, inklusive der fatalen Entscheidung, zu wenige Truppen in den Irak zu schicken. Natürlich haben Bush und Rumsfeld immer behauptet, sie hörten auf die Generalität. Aber gleichzeitig haben sie ein Klima oder ein Umfeld geschaffen, in dem keine Kritik und offene Auseinandersetzung mehr möglich waren. Es war sehr schwer für die Befehlshaber, eine ehrliche Meinung zu vertreten. Ich erinnere noch an den Stabschef Eric Shinseki, der vor dem Kongress aussagte, dass dringend mehrere hunderttausend Soldaten im Irak benötigt werden. Er wurde kurz darauf gefeuert.

Wer wird denn jetzt den Karren im Irak aus dem Dreck ziehen müssen? Das Weiße Haus oder das Pentagon?

Ich glaube dem Präsidenten, wenn er neuerdings sagt, er wird sehr genau zuhören, was die Baker-Hamilton-Kommission zu sagen hat. Dass es diese Kommission gibt, bietet der Regierung schließlich eine – wenn auch nicht gerade vielversprechende – Gelegenheit, ihren Kurs zu revidieren.

Sie waren einer der ersten hochrangigen Kritiker, der Bush und seinen Leuten öffentlich vorgeworfen hat, die Vertrauensbeziehung zu den Geheimdiensten mutwillig zerstört zu haben.

Ich habe gesagt, die Regierung habe die Geheimdienstdaten willkürlich interpretiert, um ihre vorgefassten politischen Ziele damit zu rechtfertigen – so wie es am Beispiel der Massenvernichtungswaffen im Irak zu beobachten war.

Robert Gates war unter Vater Bush CIA-Chef. Was bedeutet seine Ernennung für die frustrierten US-Geheimdienste?

Gates war nie ein professioneller Geheimdienstler. Er hat im Apparat sehr schnell Karriere gemacht, ohne sich da wirklich die Sporen verdient zu haben. Damals, vor seiner Ernennung zum CIA-Chef durch George Bush sr. 1991, gab es Kritik an seiner Person. Ihm wurde vorgeworfen, Geheimdienstdaten über die Sowjetunion politisch instrumentalisiert zu haben. Er war stets umstritten im Apparat, und viele vertrauten ihm nicht. Deshalb glaube ich, dass Gates' Ernennung die zerrüttete Beziehung zwischen Regierung und Geheimdiensten nicht wird kitten können. Das könnte erst unter einem neuen Team im Weißen Haus besser werden.

INTERVIEW: A. WOLTERSDORF