Subszene Sockenverkäufer
: Weihnachtsmarkt

Fast hätte ich mir Wollsocken gekauft

Arschkalt war’s letzte Woche und von Weihnachtsstimmung eigentlich noch nix zu fühlen. Auf dem Weihnachtsmarkt gegenüber vom Deutschen Historischen Museum war nichts los, aber wirklich gar nichts. Es fehlten nur die vorbeiwehenden trockenen Büsche und es wäre das perfekte Western-Setting gewesen. Ich holte eine Freundin am Stand mit den Papiersternlampen und den in Leinen gebundenen Tagebüchern ab und nahm sie auf einen Glühwein mit.

Marianne vom Stand gegenüber schloss sich uns an. „Hier läuft gar nix, nur der Glühwein“, sagte sie und schnaufte verächtlich in ihren grauen Schal. „Gerade war mein Ex da“, begann sie eine lange Geschichte, bei der es um Geld, Fremdgehen und Blindheit ging. Sie hatte eine Art Bürgschaft für ihn unterschrieben, und jetzt war die Kacke so richtig am Dampfen. „Dem werd ich Beine machen“, sagte sie und ich war froh, niemals selbst eine Bürgschaft für Marianne unterschrieben zu haben.

Er hatte sie betrogen. Mit der Freundin eines Freundes ihres Bruders. Oder so. „Mit denen waren wir zusammen weg für ein paar Tage“, erzählte sie. Sie ist jetzt mit dem Freund des Bruders zusammen. Alle arbeiten auf Weihnachtsmärkten, alle verkaufen Socken. „Da herrscht echte Inzucht unter den Sockenhändlern“, verriet sie uns und kramte ihr Handy raus, um ihren Freund anzurufen. Der verkauft auf dem Weihnachtsmarkt in Charlottenburg und hatte schon um acht Feierabend. „Mein Exfreund hat mir gesagt, dass mein Freund noch losgezogen ist jetzt. Wollen wir doch mal sehen.“ Mit Marianne ist nicht zu spaßen.

Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt kann erhellend sein – wenn man sich für unentdeckte urbane Subszenen wie Sockenverkäufer interessiert. Und ein Paar Wollsocken hätte ich auch fast gekauft. Bis mir einfiel, dass bald Weihnachten ist und ich sicherlich welche geschenkt bekomme. FRAUKE BÖGER