REINER METZGER ZU DEN ANGRIFFEN AUF WIKILEAKS
: Einer allein hält nicht stand

Ein Angriff auf die Internetseite Wikileaks folgt dem nächsten. Zwei US-Computerdienstleister lesen plötzlich ihre Geschäftsbedingungen und kündigen den Enthüllern um Julian Assange den Dienst auf. Hacker attackieren mit gekaperten Computern die Internetadressen, unter denen die geheimen Kabel des US-Außenministeriums zu lesen sind. Kaum ist eine Website unten, werden die Dokumente allerdings auf einer neuen in einem anderen Land wieder lesbar.

Dies ist ein Hase-und-Igel-Spiel, das die US-Behörden nicht gewinnen, weil sie sonst die Grundfesten des Internets angreifen müssten. Das wäre ein Skandal und der ultimative Erfolg der Wikileaks-Taktik: Deutet man Assanges Aussagen richtig, will er gerade die versteckte Kommunikation der Mächtigen offenlegen und so die Täuschung der Bevölkerung erschweren.

Trotzdem bleiben auch die Anstrengungen der US-Politik nicht ohne Folgen. Das dauernde Serverwechseln erschwert den Zugang zu den Nachrichten. Die Wikileaks-Leute werden in Atem gehalten. Der Stress nimmt zu. Und hier kommt eine entscheidende Schwäche der Organisation ins Spiel: Sie wandelt sich immer mehr zu einer One-Man-Show. Julian Assange ist ihr Gesicht und entscheidender Macher, zumindest nach außen. Das mag ein Erfordernis der Mediengesellschaft sein. Die funktioniert nun mal am besten mit Ikonen und nicht mit gleichberechtigen Aktivistengruppen.

Doch ein Mensch allein kann dem Druck einer geölten staatlichen Propaganda- und Geheimdienstmaschine nicht standhalten. Assange nimmt es ja nicht nur mit den USA auf. Auch andere Regierungen haben das Vergnügen, Gegenstand der Enthüllungen zu sein. Entweder Wikileaks schafft es, auch Assanges Funktion auf andere Leute zu spiegeln, oder ihre Gegner kriegen es doch noch klein.

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