Mehr Erfolg mit mehr Vernunft

BILANZ Obwohl der VfL Wolfsburg eine erfolgreiche Saison hinter sich hat, gibt’s schon wieder Probleme

„Das war unser bestes Saisonspiel, das ist Fußball“

MARTIN WINTERKORN, VW-CHEF

Der Zufriedenheit, die sich nach einer wirklich erfolgreichen Saison einstellen sollte, kam etwas in die Quere. Klaus Allofs hatte gerade ganz weit ausgeholt und von einem neuen Fußball-Gefühl beim VfL Wolfsburg gesprochen, als der ambitionierte Geschäftsführer des Vereins schon wieder mit Problemen konfrontiert wurde.

Dank des 3:1(1:0)-Erfolgs im letzten Heimspiel der Saison gegen Borussia Mönchengladbach ist den Niedersachsen ein Platz in der Europa-League sicher. Aber weil der ersehnte Sprung in die Champions League nicht mehr geschafft wurde, gibt es diese Dissonanz zwischen Erreichtem und Erhofftem. „Ich lasse es offen“, sagte etwa Linksverteidiger Ricardo Rodriguez über seine Zukunft in Wolfsburg. Der Schweizer ist so begehrt, dass sich selbst Real Madrid für ihn interessieren soll – eine ordentliche Nummer größer also als der aufbegehrende VfL.

Das Ende einer erfreulichen Saison und die Rückkehr in das internationale Geschäft blieben von gemischten Gefühlen begleitet. „Ich bin wirklich stolz auf diese Mannschaft und ihre Entwicklung“, sagte Cheftrainer Dieter Hecking. Er hat innerhalb von anderthalb Jahren aus einem Abstiegskandidaten eine Elf für gehobene Aufgaben gemacht. Dass es international begehrten Profis wie Rodriguez, der sämtliche Ligaspiele für den VfL bestritten hat, oder dem Brasilianer Luiz Gustavo nicht ausreicht, nur in der Europa-League zu spielen, liegt auf der Hand. „Alle haben Vertrag“, beteuerte Geschäftsführer Allofs und klang dabei genervt bis gereizt.

Wie viel Potenzial in dieser Mannschaft steckt, bekamen 30.000 Zuschauer im Duell mit den ebenfalls starken Gladbachern eindrucksvoll vor Augen geführt. Der überragende Kevin de Bruyne (30. Minute), Ivan Perisic (68.) und Robin Knoche (81.) hatten mit ihren Toren eine Überlegenheit dokumentiert, der ihr Gast nicht gewachsen war. Deshalb gab es von den Zuschauertribünen viel Lob, das nach dem Jubeln und Duschen auch noch einmal von höchster Stelle bestätigt wurde. „Das war unser bestes Saisonspiel, das ist Fußball“, sagte Martin Winterkorn, der mächtige Vordenker des Volkswagen-Konzerns, dessen Zuwendungen den VfL zu einem Liga-Krösus machen.

Winterkorn ist vor allem zufrieden, weil Allofs und Hecking mit einer wohltuenden Mischung Erfolg haben. Großverdiener wie de Bruyne und Gustavo ergänzen sich mit Talenten wie Maximilian Arnold und Knoche. Die Konkurrenz des VfL Wolfsburg darf mit Erschrecken feststellen, dass in dem neureichen Verein ein Hauch von Vernunft eingekehrt ist. Mit der Abkehr vom Gigantismus nach der Ära Magath und durchdachten Spielereinkäufen fährt der Autobauerverein deutlich besser.

Wenn es dem VfL auch noch gelingt, in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr als großspurig, sondern als in erster Linie als erfolgreich wahrgenommen zu werden, wäre das einer der wichtigsten Erfolge, den der Standort Wolfsburg überhaupt erringen kann.  CHRISTIAN OTTO