Züchtiges Multi-Channel-Marketing

Die Ausstattung für das etwas krude Queen-Musical „Killer Queens“ hat sich das Bremer Waldau Theater vom Beate-Uhse-Konzern spendieren lassen. Nur eines von vielen Manöver, mit denen der Flensburger-Erotik-Marktführer die eigene Bekanntheit zu erhöhen hofft

Da wird das Hemdchen extra hochgeknotet. Tänzerinnen in Schulmädchenuniformen. Die Sängerin zeigt, wie wohlfeil XXL-Körper in schwarz-rotem Lack-Outfit dominant wirken können. Die Sangeskolleginnen führen derweil Oberteile vor, die scheinbar nur mühsam zusammengeschnürt sind. „Sexy Couture“ für die, die beim Auspacken gern ein wenig mit Faden und Knoten herumtüdeln.

„Killer Queens“ heißt die Show, die solcherlei Modenschau und Songs der Pathosrocker „Queen“ mit einer notdürftigen Musicalhandlung verbindet. Das Interessanteste daran steht, ganz klein, im Programm des Bremer Waldau Theaters: „Ausstattung: Beate Uhse“. Die Gründerin der einst „Institut für Ehehygiene“ genannten Sex-Shops ist vor gut fünf Jahren verstorben. Und hat nie Mode entworfen.

Am Tag nach der „Killer Queens“-Uraufführung ging es auf der Waldau-Bühne um Sexyness ohne Couture. „Barefoot bet an’n Hals“, eine plattdeutsche Version des Boulevardtheater-Hits „Ladies Night“, in dem Männer ihre Arbeitslosenbezüge durch Strippen aufbessern. Ein Gastspiel der 1926 gegründeten Niederdeutschen Bühne Flensburg – Sponsor: Beate Uhse. „Wir hätten uns dieses Wochenende auch in Beate-Uhse-Theater umbenennen können“, lacht Pressesprecherin Kerstin Toelle von der Bremer Musical Company (BMC). Wunderbar passt deren Motto – „Wir bringen Leben auf die Bühne“ – zu dem des Erotik-Konzerns – „Sex up your Life“.

Die Flensburger versuchen mit neuen Ideen die Marktführerschaft zu erhalten. Auch mit Kultursponsoring – wobei Prêt-à-Porter auf der Bühne nicht ungewöhnlich ist: Der Choreograph Maurice Béjart schmückte einige Produktionen mit Kostümen von Versace, Modedesignerin Vivienne Westwood stattete in Wien „Die Dreigroschenoper“ aus, Jean Paul Gaultier entwarf Madonna als „Material Girl“, „Holiday on Ice“ tourte in Outfits von Rudolph Moshammer. Und Beate Uhse finanziert und stattete zuletzt auch die neue Bühnenshow der Lilo Wanders aus, Titel: „Sex ist ihr Hobby“. Sogar die 2. Herrenmannschaft des FC Angeln 02 übrigens spielt mit dem Uhse-Logo auf der Brust in der Kreisliga Schleswig-Flensburg.

Wie solche Kooperationen entstehen? „Die Bremer Musical Company hat einfach einen Brief geschrieben und sich was Nettes aus unserem Katalog ausgesucht“, erklärt Uhse-Sprecherin Assia Tschernookoff. Da die Produktion zum eigenen Image passe, habe das Unternehmen die Ausstattung spendiert. Da hilft übrigens kein Opernglas und kein Brilleputzen: Anzügliches ist den „Killer Queens“ nicht vorzuwerfen. Für Bruchteile einer Minute kommt auch mal ein ärmelloses Shirt mit transparenter Netzstruktur zur Aufführung, ansonsten aber verweigert man sich züchtig der pfauenhaften Homoerotik des Freddie Mercury, die einer Queen-Show eigentlich nicht fehlen dürfte.

Warum gibt sich der Erotik-Konzern überhaupt so viel Mühe? Vielleicht liegt’s am heißen Sommer. Der war schlecht fürs Sexspielzeug-Geschäft. Mit Erlösen von 136 Millionen Euro im ersten Halbjahr seien die Erwartungen nicht erfüllt worden, hatte kürzlich Vorstandssprecher Otto Lindemann verkündet. Trotzdem versuche man die Aufmerksamkeit für die Marke mit einem Multi-Channel-Konzept zu erhöhen, also potenzielle Kunden auf diversen Kanälen zu erreichen. Jetzt eben auch auf Bremens Traditionsbühne – hat doch gerade Norddeutschland Nachholbedarf: Hier läuft das Uhse-Geschäft schlechter als südlich des Mains.

Mit Multi-Channel-Vermarktung nach dem Tod von Freddie Mercury hat das Unternehmen Queen seinen Gesamtumsatz übrigens vervierfacht: durch all die Cover-Versionen, Remixe, das virtuelle Album „Made In Heaven“, die Show-, Musical-, Revue-Produktionen, all die CD-Boxen und Konzertmitschnitte – und die Wiederbelebung der Band mit dem Sänger Paul Rodgers. JENS FISCHER