die taz vor 17 jahren über berlin auf dem weg zur metropole
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Berlin ist über Nacht zur Metropole geworden. Das ist ein ganz anderes Berlin, als wir es gewohnt sind; das ist die Wiedergeburt jener metropolen Hektik, die wir bislang nur im Urlaub in Rom, Paris oder New York bewundern durften.

Drangvolle Enge in Bahnen und Bussen, Warteschlangen in Kneipen und Cafés konnten die Berliner nicht von ihrer hochgestimmten Freude abbringen.

Die total verstopfte Innenstadt, die zweitakterverpestete Luft und die zum Teil schon leergekauften, überlasteten Geschäfte und öffentlichen Institutionen haben eine Fülle von ökologischen und strukturellen Problemen offenbart, die auf diese Stadt zukommen – der Lust an dieser großen Veränderung tut das indes keinen Abbruch.

Daß diese riesengroße Fete in Berlin ein Erfolg werden konnte, dazu haben Hunderttausende Berliner beigetragen. Jene, die die Ruhe bewahrten, auch wenn es teilweise nicht mehr vor oder zurückging, ebenso, wie die Angestellten und Beamten von Behörden und Banken. Nicht zu vergessen die Mitglieder von Hilfsorganisationen und Hausfrauen, die Kaffee und Kuchen verschenkten. Und die Angestellten der BVG.

Zu danken ist auch den Tausenden von Polizeibeamten, die mit bemerkenswertem Langmut der Menge zur Seite standen: Bullen, wie wir sie täglich sehen wollen. Viele bleiben anonym, sie werden sich nur in der Erinnerung jener wiederfinden, denen die so wenig selbstverständliche Freundlichkeit und Hilfe galt und die davon in der DDR berichten werden.

Dieses kreative Chaos, dem die gewohnte Muffligkeit und die so typische Berliner Nörgelei völlig abging, bleibt von diesen Tagen der „Wiedervereinigung der Menschen“ bestehen.

Die Berliner haben bewiesen, daß sie reif sind, in einer Metropole zu leben. Das ist zwar eine andere Metropole, als uns Herr Diepgen immer verkaufen wollte, aber eine viel menschlichere ist sie sicherlich. Gert Nowa-kowski, taz vom 13. 11. 1989