62 Prozent Ballbesitz? Bitte schön!

FUSSBALL VERKEHRT II Nach einer 0:1-Niederlage beim SC Freiburg wundert sich Armin Veh, der Trainer des Hamburger SV, über auf den Kopf gestellte Statistiken und die daraus folgenden Tabellenplatzierungen

FREIBURG taz | Ze Roberto klatschte aufmunternd in die Hände und beschwor seine Teamkollegen, nun energisch nach vorn zu spielen. Eben hatte Papiss Demba Cissé das Freiburger Führungstor aus dem Gewühl heraus erzielt – gerade einmal vier Minuten war die Partie zu diesem Zeitpunkt alt. 100 Minuten später schlichen die HSV- Spieler mit traurigem Blick Richtung Gästekurve. Es stand immer noch 1:0, sie hatten den frühen Rückstand nicht ausgleichen können und einen Trainer in die Pressekonferenz geschickt, der die Entstehung des Tores symptomatisch fürs ganze Spiel fand: „Freiburg hat nachgesetzt“, sagte Armin Veh, „wir nicht, dabei wussten wir, dass das Spiel über die zweiten Bälle entschieden wird.“

Die mit verletzten Stammspielern reich gesegneten Hamburger waren ohne Mladen Petric angereist, für den die Hinrunde nach einem Faserriss im Training beendet ist. Für den Kroaten rückte Ruud van Nistelrooy ins Sturmzentrum, Tunay Torun, der vergangenes Wochenende beim 4:2-Sieg über den VfB Stuttgart als zweifacher Vorbereiter aufgefallen war, blieb entgegen mancher Spekulation in der Startelf und rückte links in die Mittelfeld-Dreierreihe. Dort sollte er zusammen mit Heung Min Son und Jonathan Pitroipa für Schwung aus dem Mittelfeld sorgen. Da aber genau das nicht gelang und der SC Freiburg defensiv gut stand, konnte sich der Gast auch nicht über den Halbzeitrückstand beklagen. Nach dem Seitenwechsel spielte der HSV zwar kurzzeitig energischer, das Grundproblem des HSV-Spiels blieb aber virulent. Die Hamburger hatten weit mehr Spielanteile – die Statistik wies nach Abpfiff einen Wert von 62 Prozent Ballbesitz aus – schafften es aber nicht, dadurch eine Überlegenheit zu erzwingen.

„Wir haben zu langsam und zu umständlich gespielt“, analysierte Veh, „und sind deshalb einfach zu selten in die gefährliche Zone gekommen.“ Das hatte auch sein Kollege Robin Dutt so gesehen, der die Sache mit dem Ballbesitz auch keinen sonderlich aussagekräftigen Parameter fand: „Wir haben dem Gegner nur dort den Ball gelassen, wo er uns nicht gefährlich werden konnte.“ Der launische Abwehrmann Guy Demel war deshalb der Spieler mit den meisten Ballkontakten, das Passspiel im Mittelfeld war phasenweise sogar ganz nett anzusehen, aber nach mehreren Minuten munteren Hin- und Herpassens hatte der HSV selten mehr als ein paar Zentimeter Raumgewinn zu verzeichnen.

Freiburg ist nun mit 24 Punkten weit über Plansoll, beim HSV hingegen ist die Stimmung nach der vierten Auswärtsniederlage in Folge auf dem Nullpunkt angelangt. HSV-Coach Veh konnte nach dem Spiel den Blick gar nicht mehr vom Statistikblättchen abwenden. „Robin, ihr seid jetzt Fünfter“, sagte Veh mit anerkennendem Blick auf sein Gegenüber Dutt, „das hätte man vor der Saison auch nicht unbedingt gedacht.“ Der Angesprochene verkniff sich die Replik. Er hätte sonst den neunten Platz des HSV erwähnen müssen. CHRISTOPH RUF