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: Europa braucht Bürgerlobby

Wer sich am Arbeitsplatz diskriminiert fühlt, kann dagegen klagen. Die Europäische Union macht‘s mit dem Antidiskriminierungsgesetz möglich. Sie hat auch beschlossen, dass VerbraucherInnen vor irreführender Werbung geschützt werden. Eigentlich müsste es also für die BürgerInnen in Nordrhein-Westfalen – übrigens eine der größten EU-Regionen – von Interesse sein, was in Brüssel passiert. Doch während die WählerInnen sich kaum fürs Kontinentale interessieren, schärft die Landesregierung ihr Profil in der EU. So hat sie Lobbyarbeit gemacht für ein industriefreundlicheres europäisches Chemikalienrecht.

KOMMENTAR VON MORITZ SCHRÖDER

Weil das Interesse an der Europapolitik des Landes viel zu klein ist, empört es auch niemanden, wenn in Brüssel einseitige Politik gemacht wird. Etwa wurden auf einem Seminar in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung zur Chemikalienrichtlinie außer Landespolitikern nur Vertreter der heimischen Wirtschaft eingeladen – VerbraucherschützerInnen fehlten. Kein Wunder, dass die Vorschläge der NRW-Regierung besonders geringe Auflagen für die chemische Industrie vorsahen.

Im nächsten Jahr will das Bundesland sogar noch mehr in Brüssel mitmischen. In Planung sind Vorschläge für eine europäische Energiepolitik – schließlich sei NRW einer der größten Energiestandorte der EU, so die altbekannte Argumentation.

Es ist an der Zeit, dass die BürgerInnen in Nordrhein-Westfalen begreifen, wie viel die EU längst mit ihrem Leben zu tun hat. Denn nur wenn das politische Bewusstsein für Europa wächst, wird auch öffentlich, für welche Interessen sich gewählte PolitikerInnen stark machen. Dass ausgerechnet Nordrhein-Westfalen dem Kontinent eine neue Energiepolitik vorschlagen will, muss Warnung genug sein. Die Zukunft Europas darf nicht der Braunkohlelobby überlassen werden.