„Wir sind keine Gesamtschul-Hasser“

Der Vorsitzende Heinz-Jürgen Schmieding erklärt, warum Niedersachsens Landeselternrat aus dem Bundeselternrat austrat. Schmieding hofft auf die Selbstverantwortete Schule. Ein Gegner der Gemeinschaftsschule sei er nicht

taz: Herr Schmieding, warum treten Niedersachsens Elternvertreter aus dem Bundeselternrat aus? Fürchten Sie die Debatte um die Gemeinschaftsschule?

Heinz-Jürgen Schmieding: Nein. Es wird gerade der Eindruck erweckt, wir seien Gesamtschul-Hasser. Das stimmt aber nicht. Als die CDU hier 2003 die Regierung übernahm und diese Schulen dichtmachen wollte, war ich als Vorstandsmitglied des Landeselternrates sehr aktiv dran beteiligt, dies zu verhindern.

Aber nun traten Sie aus, nur weil der Chef des Bundeselternrats, Wilfried Steinert, die Gemeinschaftsschule lobte?

Nein. Wir sind ausgetreten, weil es seit Jahren einen sehr zeitraubenden Streit darum gibt, wie dieses Gremium arbeitet. Es hat Neutralität zu wahren und sollte den Eltern in den Ländern nicht vorschreiben, was zu tun ist. Es geht nicht, dass dort eine Gruppe ihr Wahlprogramm vor sich herträgt.

Mir ist nur eine Resolution des Bundeselternrats aus 2004 bekannt, die eine offene Debatte um Gemeinschaftsschulen fordert.

Die haben wir in Niedersachsen längst geführt. Mit dem Ergebnis, dass 2003 die CDU gewählt wurde, die die Gesamtschule abschaffen wollte. Wir als Landeselternrat sind keine Opposition. Wir können nicht die Zusammenarbeit mit der Regierung verweigern, weil uns die nicht passt.

Also dürfen Sie keine Schulstrukturdebatte führen?

Wir sind viel weiter. Wir haben im Schulgesetz die eigenverantwortliche Schule verankert. In den neuen Schulvorständen, die im nächsten Sommer überall installiert werden, sind Eltern zu 50 Prozent vertreten. Wir werden uns als Eltern fortbilden und dann mitentschieden, welche Struktur die Schule sich gibt und später sogar, welche Lehrer eingestellt werden. Aber das sollen die Eltern vor Ort tun. Keine Schulverwaltung soll dies überstülpen.

Wird die Hauptschule als Restschule nicht zum Problem?

In Hamburg oder Berlin vielleicht. In Niedersachsen ist die Hauptschule nicht Restschule. Sie wird von 100.000 Schülern besucht. Und Einzelne arbeiten so gut, dass 80 Prozent direkt in die Ausbildung gehen.

Die Neugründung von Gesamtschulen wurde von der CDU verboten. Dennoch ist der Bedarf da. Von 6.000 Eltern, die ihre Kinder dort anmelden wollten, erhielten zuletzt nur 4.000 einen Platz.

Diese Zahlen müsste man genauer betrachten. Viele wählen die Gesamtschule, aber auch andere Schulen, weil sie den kürzesten Schulweg bietet. Auf dem Land geht es da um Distanzen von bis zu 50 Kilometern.

Dennoch gibt es Eltern, die explizit die Gesamtschule wollen. Wäre denn deren Gründung durch die selbst verantwortete Schule wieder möglich.

Da würde ich gerne hin. Nach Paragraf 106 des Schulgesetzes sind „Kooperationen“ erlaubt. Das Kind heißt etwas anders. Bietet aber jetzt schon einige Möglichkeiten.

Wann treten Sie in den Bundeselternrat wieder ein?

Wenn sichergestellt ist, dass schulpolitische Querelen dort nicht stattfinden. Es gab einen Geschäftsordnungsausschuss, der dafür sorgen sollte und drei Jahre lang nicht tagte. Inzwischen hat er getagt.

INTERVIEW: KAIJA KUTTER