WO LIEGEN IN BRÜSSEL EIGENTLICH DIE HINTERZIMMER?
: Die Sünder sitzen überall

europa@taz.de

BONSE FRAGEN:

Vergangene Woche war es wieder so weit: Die Transparenz-Initiative Corporate Europe Observatory lud zu einer geführten „Lobby Tour“ ins Brüsseler Europaviertel. Auch die Grünen, die Linken und der Verein Lobby Control klären über die verdeckten Aktivitäten der rund 15.000 Interessenvertreter in Brüssel auf.

Und wo liegen nun die Hinterzimmer, wo die Big Deals geschlossen werden? In der EU-Kommission, die derzeit beispielsweise über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP verhandelt? Im Europaparlament, das bei wichtigen Gesetzen wie der Datenschutzverordnung mit tausenden Lobbywünschen bombardiert wird? Oder wo sonst?

Fangen wir mit der Kommission an: Die Brüsseler Behörde ist gar nicht so undurchsichtig, wie viele glauben. Zu TTIP zum Beispiel führt sie regelmäßig öffentliche Stakeholder-Treffen durch – zuletzt am Dienstag. Unter dem Druck der EU-kritischen Gegenlobby machen die Kommissare neuerdings in Transparenz.

Das Problem sind die Expertenkomitees, die die Kommission beraten. Dort bekommen EU-Gesetze schon den wirtschaftsfreundlichen Touch, der viele Bürger aufregt. Besonders schlimm sind Vorschläge, die im Komitologie-Verfahren, also in den Ausschüssen, ausgeheckt werden – da blickt niemand hinter die Kulissen.

Ganz ähnlich ist es mit dem Europaparlament. Die meisten Abgeordneten arbeiten im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Und seit ein paar Jahren gibt es im Europaparlament ein (leider nur freiwilliges) Lobbyregister, das für Transparenz sorgen soll.

Das Problem liegt eher in den Brüsseler Abgeordneten-Büros, wo sich mancher MEP seine Parlamentsanträge von Lobbyisten in den Laptop diktieren lässt. Auch die unsichtbare „Beziehungspflege“ in teuren Restaurants und Bars ist ein Problem.

Die größten Sünder sitzen aber im Ministerrat. Dort werden unverblümt Konzern- und Standortinteressen vertreten. Nicht immer geht es dabei so brutal offen zu wie beim Streit um die CO2-Emissionen, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel Sonderwünsche von Daimler und BMW durchdrückte. Das meiste geschieht verdeckt, durch Absprachen unter den Chefs.

In den Kungelrunden des Rats werden nicht nur wichtige Posten vergeben. Hier werden EU-Gesetze zurechtgebogen – in sogenannten Trilogen mit Kommission und Parlament. Am Ende kommt etwas heraus, was nicht klar zurechenbar ist, aber als „alternativlos“ präsentiert wird. Ein Hinterzimmer-Deal eben. ERIC BONSE