Surfen ohne Spuren: Entzug ist möglich

GOOGLE Es kostet einiges an Aufwand, die Suchmaschine nicht zu benutzen. Aber es geht

BERLIN taz | Google ist längst nicht mehr nur Suchmaschine und E-Mail-Anbieter. Es ist Kartendienst, Entwickler des am meisten genutzten Webbrowsers und des am weitesten verbreiteten Betriebssystems für Smartphones, Besitzer einer Firma von intelligenten Thermostaten und Betreiber des dominierenden Werbenetzwerks im Internet. Von Kooperationen mit Autoherstellern, der Übernahme eines Drohnenproduzenten, von der Datenbrille Glass und einem eingereichten Patent für Kontaktlinsen mit integrierter Kamera und Bildschirm ganz zu schweigen.

Für alle, die nicht digital abstinent leben, bedeutet es also einiges an Aufwand, Google aus dem Weg zu gehen – doch unmöglich ist es nicht. Der für Nutzer am einfachsten zu wechselnde Dienst ist sicher die Suchmaschine. Zwar hat Google in Deutschland einen Marktanteil von fast 95 Prozent. Dennoch gibt es Alternativen. Wer nicht auf die Ergebnisse von Google verzichten will, nimmt etwa die von Datenschützern ausgezeichnete Suchmaschine Startpage. Der Anbieter gibt die Suchanfragen anonymisiert an Google weiter und speichert selbst keine personenbezogenen Daten, wie IP-Adressen, die Nutzer identifizierbar machen können. Das hat einen weiteren Vorteil: Nutzer umgehen die sogenannte Filter Bubble – eine Blase, in der etwa durch die Reihenfolge der Ergebnisse einer Google-Suche immer die eigenen Ansichten bestärkt und andere Positionen ausgeblendet werden. Was erscheint bei Ihnen ganz oben, wenn Sie bei Google nach „BP“ suchen? Börsenkurse, die Unternehmenswebseite, Informationen zum Fracking oder ein Wikipedia-Eintrag? Und was erscheint mit einer anderen Suchmaschine?

Auch für Kartendienst und Browser lassen sich leicht Alternativen finden, beispielsweise die Open-Source-Lösungen OpenStreetMap und Firefox. Schwieriger wird es schon beim Smartphone-Betriebssystem. Zu Apples iOS wechseln, einem anderen Konzern mit riesiger Marktmacht? Alternative Betriebssysteme wie Cyanogenmod sind meist nur für gängige Modelle vorhanden. Bleibt also, im Android-System so viele Google-Funktionen wie möglich zu deaktivieren, beim Einrichten etwa gar nicht erst ein Gmail-Konto anzulegen. Der Nachteil: Der Komfort des Geräts ist damit eingeschränkt.

Derweil arbeitet der Konzern daran, sich noch schwerer ersetzbar zu machen, auch für Menschen, die sich nur peripher im Internet bewegen. Der Gesundheitssektor ist ein Beispiel. Das Kontaktlinsenpatent weist genauso auf geplante Aktivitäten hin wie eine im vergangenen Jahr gegründete Tochterfirma, die sich mit Gesundheitsfragen beschäftigen soll, speziell mit dem Altern und damit verbundenen Krankheiten. Ein weiterer Sektor könnte in Konkurrenz zu Amazon liegen: Transport. Dazu passen etwa die Drohnen und die Investition in eine Taxi-App: Nutzer organisieren sich über die App kurzfristig Chauffeure oder Mitfahrgelegenheiten für kurze Strecken. Wenn Googles Forschung an selbststeuernden Autos marktreif ist, könnte sich daraus eine neue Kombination ergeben. SVENJA BERGT