LESERINNENBRIEFE
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Ziemlich daneben

■ betr.: „Die Hälfte des Kuchens für die Väter“, taz vom 5. 5. 14

Stimmt: Unsere Vatertagskultur ist grausig. Stimmt auch: Aktive Vaterschaft sollte honoriert werden. Aber: Den Frauen 50 Prozent des Unterhalts von ihrem Verdienstkuchen zugunsten ihrer Exmänner abzuziehen, finde ich ziemlich daneben. Viel grausiger als unsere Vatertagskultur finde ich nämlich, dass Frauen ein gutes Stück weniger verdienen als Männer, wobei es uns schon allzu lange nicht gelingt, die Verdienste von Männern und Frauen anzugleichen. Dies beim Unterhalt auf ein faktisches Fifty-Fifty, zumindest zugunsten von Frauen mit Kindern, in Rechnung zu stellen, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Fazit: Ich glaube, dass die letzten BGH-Urteile, die Vätern dafür, dass sie in sehr großem Umfang für ihre Kinder da waren, nur minimale Abschläge gewährten, trotzdem gerecht sind. Ungerecht finde ich nur, dass die nicht aktiven Väter viel zu billig wegkommen.

CHRISTINE FISCHER, München

Eine Form des Spießrutenlaufens

■ betr.: „Wir, die Dealer“, taz vom 12. 5. 14

Schön, dass es sich bei den Dealern um nette Jungs von nebenan handelt. Das Problem liegt jedoch zum einen in ihrer schieren Masse, denn an schönen Tagen sind tagsüber mindestens 60 bis 80 Dealer unterwegs im Görlitzer Park und an schlechten oder kalten Tagen immer noch 30 bis 40. Nachts dürften es kaum weniger sein. Als jahrelange Joggerin konnte ich die Veränderungen im Park live erleben. Waren es noch vor wenigen Jahren zwei bis drei Leute im vorderen Parkbereich, die sich in den hinteren Bereich verzogen, wenn Kontrollen zu befürchten waren, so sind es jetzt an jeder denkbaren Ecke zwei bis fünf Leute. Alle sind gut vernetzt übers Handy und über Fahrradkuriere, die regelmäßig alles abfahren.

Zum andern ist es einfach nicht wahr, dass sie nicht an Schulkinder verkaufen. Wiederholt habe ich gesehen, wie sie dies ganz offen tun. Da sich rund um den Park ca. sechs Schulen, diverse Kitas und Sporthallen befinden, dürften tagsüber Schüler in den großen Pausen und nach Unterrichtsschluss zu ihrer Hauptklientel gehören.

Ebenso ist es nicht wahr, dass man als Unbeteiligter immer in Ruhe gelassen wird. Wiederholt wird man angeredet, ob man nicht etwas kaufen will. Als ich vor Kurzem einmal keine Lust mehr hatte, immer meinen Blick zu senken, wenn ich an den Dealern vorbeilaufen musste, sondern ihnen gezielt ins Gesicht guckte, wurde ich bei der nächsten größeren Gruppe von zwei großen kräftigen Typen laut und bedrohlich angemacht. Da ich mich nicht leicht einschüchtern lasse, schimpfte ich zurück, aber ein schaler Nachgeschmack blieb dennoch, denn ich denke das war kein Zufall, sondern eine gezielte Anmache.

Alles in allem empfinde ich inzwischen das Laufen im Park eher als eine besondere Form des Spießrutenlaufens und nicht mehr, wie zuvor, als eine Übung, die Spaß machen sollte. GERTI NUBER, Berlin

Woher rührt der Hass auf Putin?

■ betr.: „Ein Spiegelbild der Scharfmacher“, taz vom 12. 5. 14

Der Kommentar von Stefan Reinecke ist einigermaßen ausgewogen. Immerhin konzediert er, dass der Westen Fehler gemacht haben könnte.

Reinecke identifiziert bei den medialen und politischen Eliten, anders als bei der sonstigen Bevölkerung, überwiegend Russlandkritik. Was die Eliten anbelangt, hat er sicherlich recht. Die Großinterpreten stehen bereit: Zivilisationsbruch, Geraune über das aufstrebende Eurasien, Putin als neuer Hitler, die Generalmobilmachung muss her (unser Mann in Kiew Klitschko). Ganz wichtig sei, unabhängig vom Gas der Russen zu werden. Warum eigentlich? Es fließt verlässlich und ist bezahlbar. Die Antwort liegt auf der Hand. Nur so könne man Putin unter Druck setzen. Es lebe das Containment!

Irgendwann werde es dann gelingen, die russische Oligarchenökonomie zu ersetzen durch die bewährten deutschen Agendapraktiken für Stabilität, Wachstum und Niedriglöhne. Diese Strategie würde auch die Ukraine strukturell voranbringen: In einem ersten Schritt würden die Renten halbiert und die Gaspreise verdoppelt.

Woher rührt der Hass auf Putin? Es gibt schlimmere Figuren im internationalen System, mit denen der Westen kein Problem hat, „vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“. Ein Zivilisationsbruch ist die völkerrechtswidrige Annexion der Krim sicher nicht. Auch stehen die Staaten des Westens Russland in Sachen Völkerrechtsbruch in nichts nach. Zuweilen habe ich den Eindruck, hierzulande hat man der Roten Armee immer noch nicht verziehen, dass sie Nazi-Deutschland platt gemacht hat. BILL RÄTHER, Kellinghusen

„Den Blick klären“

■ betr.: „Opfer ohne Gesicht“, taz vom 10. 5. 14

Danke, Frau Gaus, für Ihren Beitrag. Ich war da, in Maiduguri, mehrfach um die Jahrtausendwende, UniMaid war zu der Zeit noch in vielfacher Hinsicht ein Melting Pot dieses komplizierten Landes und Hoffnungsträger für viele. Internationale Organisationen waren zahlreich vertreten; das Militär unter anderem damit befasst, die Lage in Darfour mit zu kontrollieren und Terrorströmungen aus dieser Region nicht überschwappen zu lassen. Den Ansatz, dass die derzeitige Stärke der Boko Haram ohne internationale Unterstützung kaum zu erklären ist und Vertreter des Militärs dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielen könnten, kann ich nur teilen. Und mir wünschen, dass Denkanstöße wie Ihre, „den Blick klären“ – und Opfer wie Täter ein Gesicht bekommen! ALICE VERWEYEN, Köln