Schurke an Kreuzritter

Während George W. Bush und Mahmud Ahmadinedschad drohen und schweigen, reden andere. Im Mondialogo-Wettbewerb von Daimler und der Unesco versuchen Schüler einen Austausch

Schüler aus Trentoin Italien sammelten Geld für eine Schulein Jakarta, IndonesienShane Niderriter versteht nicht, warum er den Nahostkonflikt verstehen soll

AUS ROM SOPHIE HAARHAUS

Die Leitung tutet. Der Anruf kommt nicht durch. Die elektronische Post findet ihren Weg nicht zum Adressaten. Das Paket kehrt ungeöffnet von einer langen Reise zurück. Wenn Nancy Schartz aus der US-amerikanischen Stadt Land O’Lakes versucht, Kontakt aufzunehmen, dann kann das kompliziert werden. Die Lehrerin und ihre Schüler wollen zu ihren Pendants durchdringen, die in Teheran sitzen. Sie wollen chatten, telefonieren, einfach kommunizieren.

Die Kreuzritter und der Schurkenstaat kommunizieren tatsächlich. Die Schüler der Privatschule „Conserve School“ in den USA und der staatlichen Mädchenschule „Imam Mahdi High School“ aus dem Iran sind Partner. Im sogenannten Mondialogo-Schülerwettbewerb haben sie erlebt, wie schwierig es sein kann, einen interkulturellen Dialog in Gang zu bringen. Ein erster Kontakt ist noch lange kein echtes Projekt des Austauschs. 35.000 Schüler aus 138 Ländern haben in diesem Jahr an dem weltweit größten Schülerwettbewerb Mondialogo teilgenommen. „Interkultureller Dialog und Austausch“ sollte dabei stattfinden zwischen zwei Schulklassen aus verschiedenen Ländern, Kulturen und Kontinenten. Über die Kommunikation miteinander sollen die Schüler füreinander Verständnis entwickeln. Das ist das Ziel von Mondialogo. Es ist der Anspruch, mit dem die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten.

Veranstaltet wird der Wettbewerb in einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit von DaimlerChrysler und der Unesco. Mit Produktionsorten auf allen Kontinenten und einem multinationalen Team ist DaimlerChrysler auf einen interkulturellen Dialog am Arbeitsplatz angewiesen – und will mit Mondialogo nach eigenen Angaben „in die Zukunft investieren“. Während die Veranstalter beim ersten Durchlauf des Schülerwettbewerbs im Jahr 2004 schon in der bloßen Kontaktaufnahme zweier Schulklasse einen interkulturellen Dialog sahen, haben sie ihr Konzept in diesem Jahr geändert. „Die kulturelle Vielfalt entdecken und sich auf kreative Weise damit auseinander setzen“ – das ist die neue Aufgabe und das Selbstverständnis im globalen Dialog. Das eher diffuse Ziele wurde durch konkrete Anweisungen ergänzt.

Die Zusammenarbeit soll im Laufe des Projekts verschiedene Phasen durchlaufen: In der Ich-Phase befassen sich die Teams mit der eigenen Kultur, in der Du-Phase dann mit der Kultur der Partner. In der Wir-Phase wird schließlich gefragt: Was haben wir gemeinsam? „Beim letzten Mal haben wir die Projektinhalte völlig offen gelassen, es ging nur um den Dialog“, erklärt Ann-Belinda Preis von der Unesco, „in diesem Jahr haben wir den Dialog etwas mehr eingegrenzt und einen Fokus auf soziale Projekte gesetzt.“ Deshalb setzen sich die interkulturellen Teams auch mit globalen Themen wie Wasserknappheit, HIV und Armut auseinander. Wirklich tief in so komplexe Themen einzusteigen in einer Zeit von höchstens einem Jahr ist aber meist nicht möglich. Dazu müsste man zunächst die kulturellen Stereotype beider Projektpartner abarbeiten – was nicht wirklich gefragt ist. Denn im Vordergrund, das betonen die Veranstalter, bleibe der interkulturelle Dialog. Genauer das, was die ProjektteilnehmerInnen darunter verstehen.

Shane Niderriter aus den USA hat mit seiner Klasse ein Jahr lang mit einer Schulklasse aus Palästina zusammengearbeitet. Der Dialog lief bestens, findet er jedenfalls. Ob sich dadurch sein politische Bewusstsein für den Konflikt in Palästina geändert hat? Ob er vielleicht ein bisschen besser den Nahostkonflikt aus Sicht der Palästinenser verstehen kann? „Darüber habe ich nie nachgedacht“, murmelt Shane. Er wundert sich über so seltsame Fragen. „Am besten, du fragst mal meinen Lehrer.“ Der Lehrer kann dann erzählen – über die große Bedeutung des interkulturellen Dialoges.

Dialog bei Mondialogo, das heißt leider oft, nur zu plaudern über das, was angenehm ist. Die positiven Seiten stehen im Vordergrund. Bunte Trachten und exotische Bilder. Nicht kritisieren und hinterfragen sollen die Schüler, was sie von und über die anderen gelernt haben, sondern es verstehen und es bewundern.

Am Ende hat der interkulturelle Dialog allein dann aber doch nicht gereicht: Gewonnen hat den Wettbewerb das Team, das den Worten auch Taten folgen ließ. Für die Schüler aus Jakarta in Indonesien und Trento in Italien war Kommunikation das Mittel, nicht der Zweck. Für einhundert Kinder aus den ärmsten Familien Jakartas organisierten sie eine Abendschule. Während die italienische Klasse Spenden sammelte, warben die Indonesier um ehrenamtliche Lehrer, begannen mit dem Geld aus Italien ein Schulgebäude zu bauen und eine verbindliche Teilnehmerliste der zukünftigen Schüler auszustellen.

Und das Projekt hat Zukunft: die Zusammenarbeit geht weiter, versichern die Partner. Schon wurden Sponsoren für eine Bibliothek gefunden, ein Architekt erstellt die Baupläne für das Schulgebäude, und Lehrer verpflichten sich, für die nächsten drei Jahre an dem Projekt weiterzuarbeiten.

Warum das Projekt so gut geklappt hat? Weil die Schüler einen Grund hatten, sich zusammenzutun und zusammenzuarbeiten, meint Adrian Thirkell, Lehrer der Schulklasse in Jakarta. Verantwortung zu übernehmen für andere, das alleine habe die Schüler wirklich motivieren können. „Wirklicher kultureller Austausch findet nicht statt, wenn man einfach nur miteinander kommuniziert“, findet Thirkell. „Jugendliche aus verschiedenen Kulturkreisen finden nur dann wirklich zusammen und treten in einen Dialog, wenn sie sich engagieren und gemeinsam an einem sozialen Projekt arbeiten.“ So ist die Abendschule in Jakarta das Ergebnis der Einsicht, das Kommunizieren allein nicht ausreicht für eine echte Auseinandersetzung mit dem Gegenüber.

Zumindest aber muss die Möglichkeit gegeben sein, überhaupt in Kontakt zu treten. Als die Teilnehmer aus dem Iran und den USA bei der Kontaktaufnahme blockiert wurden, suchten sie Wege, diese Schwierigkeiten zu umgehen. Ihre E -Mails wurden schließlich von Bekannten der iranischen Schüler in Pakistan weitergeleitet. Verwandte der amerikanischen Lehrerin schafften es, die Partner von Bolivien aus zu Telefonkonferenzen zu verbinden. „Als wir hörten, dass unsere Partner aus dem Iran kommen, waren wir erst mal sehr aufgeregt“, erzählt Nancy Schwartz. „Wir wollten es unbedingt schaffen, den Kontakt zu ihnen herzustellen und unsere Partner richtig kennen zu lernen.“

Die Partner aus dem Iran und aus den Vereinigten Staaten haben einen Sonderpreis für Kommunikation bekommen – für ihre kreativen Wege, Kontakt aufzunehmen. Aber auch, wenn die Kontaktaufnahme schließlich geklappt hat: an der Schule in Amerika spricht man kein Farsi. Und Englisch spricht an der iranischen Mädchenschule höchstens die Lehrerin. Da hilft auch der Sonderpreis für Kommunikation wenig: Wirklich kennen gelernt haben die Schüler sich nicht.