Frankreichs „Al Gore“ droht mit Kandidatur

Nicolas Hulot, Naturschützer und Medienstar, will erreichen, dass sich die Politik ernsthaft mit den Folgen von Klimaerwärmung und knappen Rohstoffen befasst. Dafür würde er auch bei den Präsidentenwahlen 2007 antreten

PARIS taz ■ Nicolas Hulot hat es unlängst der ganzen Nation mitgeteilt: Er hat nicht die geringste Lust, sich als Kandidat an den Präsidentschaftswahlen im kommenden April zu beteiligen! Das unterscheidet ihn schon mal von all den Politikern, die in diesem Streben nach dem höchsten Amt ihr Lebensziel erblicken (und daran schon am Morgen beim Rasieren denken, wie einer von ihnen sagte).

Doch der 51-jährige Hulot ist kein Politiker, er gehört keiner Partei an. Er ist ein Abenteurer, Globetrotter, Naturfilmer und ein Medienstar. Wenn er dennoch in die politische Arena steigt, dann nur, weil er keinen anderen Weg sieht, um die Regierenden, Wirtschaftsbosse und die Öffentlichkeit zu zwingen, die dramatischen Konsequenzen des Raubbaus an der Natur endlich zur Kenntnis zu nehmen. Er „droht“, er werde notfalls bei den Wahlen als Spielverderber kandidieren.

Bei jedem anderen, der ein solches Ultimatum vor den Fernsehkameras ausspräche, würde man in Frankreich nur lachen. Nicht so im Fall von Nicolas Hulot, der gerne mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore verglichen wird. Dank seiner spektakulären Naturfilme und Reportagen unter Extrembedingungen ist er ein Publikumsliebling. Der erste Fernsehsender TF1 hat aus seiner regelmäßigen Sendung „Ushuaïa“ einen eigenen TV-Kanal gemacht.

Hulot ist für seine Landsleute die moralische Autorität in Sachen Naturschutz. Seit langem gehört er zu der Spitzengruppe der Persönlichkeiten, die von den Franzosen am meisten bewundert werden. In all den Jahren scheint der jugendlich wirkende Hulot fast gar nicht älter geworden zu sein. Er ist stets sonnengebräunt, weil er gerade von einer TV-Expedition zurückkommt. Und seine Stirnfransen fallen so unregelmäßig ins Gesicht, dass man sich gut vorstellen kann, wie er sich die Haare im Dschungel selber und ohne Spiegel geschnitten hat. Das gehört zu seinem Look als Abenteurer, wie ihn die Fernsehzuschauer kennen. Oft steht er in seinen Filmen in gefährlichen Szenen ohne Stuntmen selber vor der Kamera.

Eine ganz andere Art von Risiko will er jetzt mit seinem politischen Engagement eingehen. Sein Buch „Pour un Pacte écologique“ („Pakt für den Umweltschutz“) ist schon jetzt ein Bestseller. Bei dessen Präsentation in der vergangenen Woche wurde er von Prominenten aus Forschung, Film und dem Showbusiness unterstützt. Hulot hat es zusammen mit einem Kolleg von Wissenschaftlern und Experten verfasst. Darin werden noch einmal die dramatischen Perspektiven dargestellt, die unserem Planeten drohen, wenn die Klimaerwärmung, die Verknappung der Rohstoffe und die Bedrohung der Artenvielfalt weiter verdrängt werden. Der eigentliche „Pakt“ besteht aus zehn konkreten Zielen, die laut Hulot mittel- und langfristig erreichbar sind, falls der Wille dazu existiert.

Zudem macht er fünf konkrete Vorschläge, die er den Präsidentschaftskandidaten unterbreitet. Dazu gehört neben einer progressiv wachsenden Steuer auf fossile Energien und einer radikalen Reform der Landwirtschaftspolitik auch die Schaffung des Postens eines für Umweltfragen und dauerhafte Entwicklung zuständigen Vizepremierministers. Hulot dementiert, dass er es selber ein solches Amt will. Sein Programm ist „open source“, er stellt es großzügig allen Kandidaten der Präsidentschaftswahlen kostenlos zur Verfügung. Sein erklärtes Ziel sei es, auf diese Weise seine „Kandidatur unnötig zumachen“.

Diesen Wunsch zumindest teilen alle Parteien: Die Linke und die Rechte umwerben den Naturschützer, um seinen ökologischen „Segen“ zu bekommen. Mehr als eine Energie- und Umweltkrise oder eine Verknappung der Rohstoffe fürchten sie nämlich eines: Dass der prominente Außenseiter Nicolas Hulot ihre sorgsam vorbereiteten Wahlpläne durchkreuzt.

RUDOLF BALMER