Gesundheitsreform später abstimmen

Opposition wie Union fordern, den Parlamentsbeschluss zur Beitragsreform der Kassen ins neue Jahr zu schieben

BERLIN taz ■ Das Parlament soll nach dem Willen von Union und Opposition erst im nächsten Jahr über die Gesundheitsreform abstimmen. Nach Ende der Anhörungen zur Gesundheitsreform sagte Unions-Gesundheitsexperte Jens Spahn (CDU) der taz: „Wahrscheinlich wird die letzte Lesung erst im Januar stattfinden.“

Die Verschiebung sei nötig, um auch dem Bundesrat genügend Zeit zu geben, eine Entscheidung zu fällen. Auch der Grünen-Obmann im Gesundheitsausschuss, Harald Terpe, meinte: „Man muss dem Kabinett Zeit geben, um zur Besinnung zu kommen.“ Ursprünglich war geplant, dass der Bundestag das Gesetz noch vor Weihnachten verabschiedet.

Die gewonnene Zeit will die Union dazu nutzen, den so genannten Zusatzbeitrag abzuändern. Diese Prämie können Kassen ab 2009 zusätzlich von ihren Versicherten fordern – wenn sie mit den normalen Beiträgen nicht auskommen. Die SPD hatte durchgesetzt, dass die Kassen das Einkommen ihrer Versicherten berücksichtigen müssen, wenn sie mehr als 8 Euro Zusatzprämie von ihnen verlangen. Sie soll auf 1 Prozent des Einkommens begrenzt werden.

Diese Regelung müsse man im Lichte der Anhörung noch einmal überarbeiten, hieß es aus der Union. Sprich: die Überforderungsgrenze muss weg, der Zusatzbeitrag müsse auch mehr als 1 Prozent betragen können. Auch der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem gab zu bedenken, dass der bürokratische Aufwand den Ertrag nicht rechtfertige.

Die insgesamt 26 Stunden währende Anhörung hatten Sachverständige und Lobbyisten genutzt, ihre geballten Bedenken gegen die Reform zu äußern. Vor allem die geplante Sammelstelle für die Beiträge, der Gesundheitsfonds, fielen bei fast allen Experten durch. „Die fiskalischen und verteilungspolitischen Schwachstellen bleiben“, meinte etwa das Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, Eberhard Wille.

Die Finanzen für das Gesundheitswesen werden also auch mit Fonds weiterhin von den Löhnen und nur von diesen abgezweigt. Nach Prognosen der Kassen drohen den gesetzlich Versicherten im Jahr 2009 Beiträge von durchschnittlich 15,4 Prozent. „Kassen mit vielen Beziehern niedriger Einkommen geraten in Gefahr, hohe Zusatzbeiträge zu verlangen oder gar insolvent zu werden“, warnte Wille.

Die Finanzreform steht als mühsam ausgehandelter Konsens zwischen Union und SPD aber nicht mehr zur Debatte. Allenfalls technische Details könnten noch verändert werden, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Carola Reimann. Ins Grübeln kamen die Koalitionspolitiker etwa beim Vorhaben, dass Krankenkassen künftig pleitegehen können. Davon wären vor allem die Ortskrankenkassen betroffen, die bereits heute 1,8 Milliarden Euro Schulden haben. ANNA LEHMANN