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: Stehauffrau aus dem Hause Gabriel

Übergabe des Staffelstabes in der deutschen Klimagipfel-Delegation: Seit gestern Abend ist Bundesumweltminister Sigmar Gabriel der Chef in Nairobi. Zuvor aber hat Nicole Wilke zehn Tage lang die Verhandlungen geleitet. Ein 16-Stunden-Job, der nicht ohne Blessuren bleibt.

Nach Besprechungen, Verhandlungen und Strategierunden hat die 43-jährige Referatsleiterin des Bundesumweltministeriums oft erst gegen 23 Uhr das Hotelzimmer erreicht. Manchmal aber auch nicht: In der ersten Woche aß sie etwas Schlechtes. „Leider hat das auf meinen Kreislauf geschlagen“, sagt die robust wirkende Frau. Nicole Wilke kippte um und landete in der Krankenstation. Vorgestern eilte sie zu einem Podium, das schon angefangen hatte – und stürzte hin. Wilke kam in die Klinik. Nach einer Tetanusimpfung kehrte sie aufs Konferenzparkett zurück – wenn auch kreidebleich.

Nicole Wilke hat in Hannover Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach Auslandsstudien in den USA und Spanien begann sie in Niedersachsens Wirtschaftsministerium als Referentin für Energiepolitik. 2003 wechselte sie ins Bundesumweltministerium: Dort war sie zunächst für Erneuerbare Energien zuständig. Dann wurde sie zur Referatsleiterin für Klimapolitik befördert.

„Einfach ist das Umfeld für uns hier in Nairobi wirklich nicht“, sagt die kinderlose, in Partnerschaft lebende Wilke. Mit „uns“ meint sie die Industriestaaten: „Afrika ist am meisten von jener athmosphärischen Kohlendioxidkonzentration betroffen, die wir verursacht haben.“ Afrika hätte aber weder Finanzen noch Know-how, bereits bestehende Klimaschäden zu beheben. „Es geht natürlich um Geld,“ sagt Wilke. Und dann ganz Diplomatin: „Beziehungsweise um einen Kompromiss zwischen Wünschen und Finanzierbarkeit.“

Dieser Kompromiss war gestern auf der Konferenz nirgendwo zu erkennen. Wird also vielleicht Minister Gabriel heute das Portemonnaie öffnen, um ihr neue Impulse zu geben? Nicole Wilke nimmt den Dienstherren in Schutz: Das Geld käme ja nicht von Gabriel, sondern vom Finanzminister.

„Mein Traum wäre, wenn wir nach der Konferenz ein Verhandlungsmandat für die Zeit nach 2012 hätten“, hatte Nicole Wilke vor ihrem Abflug in Berlin erklärt. 2012 läuft die erste Kiotophase aus. Was da noch unglaublich mager klang, ist beim jetzigen Verhandlungsstand ein dicker Braten. Platzt also ihr Traum, Frau Wilke? „Dinge sind erst dann unmöglich, wenn ich sie als unmöglich betrachte.“ Offenbar ist die ranghöchste deutsche Klimapolitikerin von so viel Trotzigkeit selbst überrascht. Denn sie fügt schnell an: „Wahrscheinlich ist das Mandat aber derzeit nicht.“ NICK REIMER