Humanitäres Abschieberecht
: Kommentar von CIGDEM AKYOL

Die Jahre der Ungewissheit scheinen für langjährig geduldete Flüchtlinge bald ein Ende zu haben, denn Union und SPD haben sich beim Bleiberecht endlich auf eine gemeinsame Regelung geeinigt. Doch was sich zunächst nach einem Entgegenkommen anhört, ist bei näherem Hinsehen die systematische Vorbereitung von Abschiebungen.

Die große Koalition will nämlich geduldeten Ausländern erst nach acht Jahren den Aufenthalt erlauben, Familien nach sechs Jahren. Voraussetzung: Sie müssen Arbeit gefunden haben. Haben sie Erfolg bei der Arbeitssuche, wird ihr Aufenthalt noch einmal um zwei Jahre verlängert. Misslingt es, fallen sie in den Zustand der Duldung zurück; sie können dann also jederzeit abgeschoben werden.

Das Kriterium „Arbeitsplatz“ ist für viele geduldete Ausländer aber nicht erfüllbar. Wer will schon jemanden einarbeiten, dem eine Abschiebung droht? Bei etwa vier Millionen Arbeitslosen ist es ja auch für andere schwer, eine Beschäftigung zu finden.

Auf keinen Fall darf ein dauerhaftes Bleiberecht für geduldete Asylbewerber vom Besitz eines Arbeitsplatzes abhängig gemacht werden. Die Menschen werden einem immensen Druck ausgesetzt. Im schlimmsten Fall kann sich gar ein „modernes Sklaventum“ entwickeln. Wer sichert dem schuftendem Ausländer zu, dass ein Arbeitgeber die heikle Situation nicht zu seinen Gunsten ausnutzt?

Die geforderte Aufenthaltsdauer von sechs bis acht Jahren banachteiligt zudem von vornherein diejenigen, die weniger lange im Land sind. Kettenduldungen können die Folge sein. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass lediglich 20.000 bis 50.000 Geduldete von den geplanten Regelungen profitieren können. Aber etwa 200.000 geduldete Ausländer leben in Deutschland.

200.000 Einzelschicksale, die nur ein provisorisches Leben führen können und jeden Tag Angst vor einer Abschiebung in ihre Herkunftsländer haben. Es sind Menschen, die auf eine Einigung der Politiker warten. Union und SPD aber versuchen sich den humanitären Anschein zu geben, indem sie zum Bleiberecht einen Minimalvorschlag unterbreiten.