ES GEHT UM DIE WURST
: Filmhochschule Edeka

Umständlich faltete er das Wachspapier zusammen

Nach Umbau und Wiedereröffnung heißt der Reichelt in der Neuen Welt jetzt Edeka. Ich weiß noch nicht, ob ich das gut finden soll oder nicht. Es geht damit los, dass das alte Personal offenbar komplett entfernt wurde. Bis auf den irren Fleischermeister, dessen pathologisch schnippisches Wesen mich stets mit Angst und Wut erfüllt hatte, waren das durch die Bank freundliche, kompetente und vor allem schnelle Leute. Jetzt braucht eine Kassiererin zehn Minuten für den Kunden vor mir. Und es sind tatsächlich handgestoppte zehn Minuten und nicht eine Fantasiezeiteinheit wie die berühmte „geschlagene halbe Stunde“. Das weiß ich, weil ich auf die Uhr gucke. Ich habe es nämlich ziemlich eilig.

Denn schon an der Wursttheke hat es ewig gedauert. Mit ungelenken Bewegungen strich mir dort ein junger Mann das Hackfleisch aufs Papier. Langsam, ungeschickt und gerade so, als ob er das das erste Mal machte. Machte er wahrscheinlich auch. In seinem ganzen Habitus wirkte er eigentlich eher wie ein Schauspieler, der sich in professioneller Vorbereitung auf seine Rolle als Fleischfachverkäufer die entsprechenden Handgriffe aneignen sollte und gerade damit anfing. Die ganze Woche würde er noch üben, so wie Axel Prahl, der für den Film „Halbe Treppe“ immerhin zwei Wochen lang hinter dem Tresen einer Imbissbude in Frankfurt (Oder) stand, damit es irgendwann halbwegs echt aussah.

Bei meinem Mimen hatte ich allerdings das Gefühl, dass er noch Jahre hätte üben können, ohne dass es zu einer sichtbaren Verbesserung gekommen wäre. Fleischfachverkäufer schien einfach nicht sein Ding zu sein. Unglaublich umständlich faltete er das Wachspapier mit dem Hack zusammen und balancierte es wie teures Rauschgift in eine Tüte hinein. Vielleicht sollte er in dem Filmvorhaben lieber den Täter spielen. Oder am besten gleich die Leiche. ULI HANNEMANN