Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

A bunch of musical retards“, preist Robert Butler, ehemals Bassist der Miracle Workers, seine Kollegen vom Schweizer Underground-Plattenlabel Voodoo Rhythm Records aus Bern, wo Labelchef Reverend Beat-Man, der nebenbei als Einmann-Psychobilly-Prediger tätig ist, ausschließlich Platten herausbringt, die ihm selbst gefallen: simple Blues-, Country-, Rockabilly- und Punkmusik sowie die Dead Brothers mit ihrer auf Tuba, Akkordeon und singender Säge gespielten Pseudobegräbnismusik. Der deutsche Regisseur M. A. Littler porträtiert Beat-Man und seine Künstler in der Dokumentation „Voodoo Rhythm – The Gospel of Primitive Rock ’n’ Roll“ (2005), die ästhetisch und konzeptuell so einfach gestrickt ist wie die Musik: Nacheinander werden die verschiedenen Bands in Kapiteln abgehandelt; Ausschnitte von Konzertauftritten wechseln sich mit Interviews ab, in denen die Musiker von ihrer Motivation und vom Tourleben erzählen. Dabei wird vor allem eines deutlich: Für Spaß an der Musik braucht es keine Virtuosität, sondern Originalität – und das Herz am rechten Fleck. Im gleichen unabhängigen Geist ist Littlers bisheriges Gesamtwerk entstanden, das neben Musikdokus mehrere eigenwillige Amerikatrips umfasst, die in der Retro „15 Jahre Slowboat Films“ bis zum 21. Mai in den Kinos Eiszeit und Hackesche Höfe zu sehen sind. (OF, Hackesche Höfe 3)

Etwas elaborierter geht es zu bei David Bowie, dem ab 20. Mai eine große Ausstellung im Martin-Gropius-Bau gewidmet ist. Im Babylon Mitte werden aus diesem Anlass Bowies unterschiedlich interessante Arbeiten als Performer/Schauspieler gezeigt. Der Konzertfilm „Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ (1973) zeigt den Meister jedoch bei dem, was er am besten kann: Musik machen. Hier sieht man ihn bei einem mitreißenden Rock-’n’-Roll-Konzert in der Rolle seines kurzlebigen Glam-Rock-Alter-Egos Ziggy Stardust, die er am Schluss des von D. A. Pennebaker gefilmten Konzerts am 3. Juli 1973 ad acta legte, um sich einmal mehr neu zu erfinden. (OF, 21. 5. Babylon Mitte)

Neu erfunden hat sich auch der finnische Akkordeonvirtuose Kimmo Pohjonen, der das vermeintlich spießige Instrument über die Jahre radikal von allen Dogmen befreit hat. Heute produziert er mit einem progressiven Metalgitarristen Soundgewitter, komponiert Stücke für Akkordeon, landwirtschaftliche Maschinen und Schweinegrunzen, die er auf britischen Bauernhöfen auch live aufführt, oder spielt moderne Klassik mit dem Kronos Quartet. Kimmo Koskela setzt Pohjonens musikalische Aktivitäten in der Dokumentation „Soundbreaker“ (2012) mit gelungenem ästhetischem Anspruch intelligent in Szene. (OmU, 15.–16. 5, 18.–21. 5., Zukunft Berlin 4; 16. 5., Krokodil)