Ganztagsschule total illegal

In Bremen darf nur an zwei Tagen nachmittags Unterricht stattfinden, weil es keine Rechtsgrundlage für Ganztagsschulen gibt. Das stellte das Oberverwaltungsgericht klar. Ein Elternpaar hatte geklagt

Von Klaus Wolschner

In Bremen gibt es keine Ganztagsschulen, das war die überraschende Feststellung von Oberverwaltungsgerichts-Präsident Matthias Stauch gestern zum Beginn eines Erörterungstermins. Es ging um die Klage eines Elternpaares gegen den Nachmittagsunterricht am „Alten Gymnasium“. Denn, so Stauch, das seit 2005 geltende Bremer Schulgesetz verlangt in Paragraph 23, dass die Mitbestimmungsrechte der Eltern bei der Einrichtung einer Ganztagsschule in einer „Rechtsverordnung“ festgelegt werden, und eine solche Rechtsverordnung existiert nicht.

Also gibt es Schulen, die ihren Unterricht auf „ganztags“ verteilen, aber das sind keine Ganztagsschulen. Was ist eine Ganztagsschule? Auch da ist die Rechtslage dank Kultusministerkonferenz (KMK) klar, meinte Richter Stauch: Mindestens sieben Stunden Unterricht an mindestens drei Tagen sind die Voraussetzung für das Etikett „Ganztagsschule“. Und nach diesem Kriterium ist das Alte Gymnasium eindeutig eine – und darf es nicht sein – jedenfalls nicht für Paul, dessen Eltern die Klage eingereicht haben.

Am Ende der zweistündigen Verhandlung zwischen seinen Eltern und der Schulbehörde stand ein Kompromiss. Ganztags-Unterricht ist nur noch an zwei Tagen. Das darf die Schule beschließen, weil das keine Ganztagsschule bedeutet, und so war der Rechtsstreit fürs erste erledigt.

Warum die Schulbehörde nicht im Jahre 2005 gleich eine Rechtsverordnung vorgelegt hat, dass konnte der erfahrene Bildungs-Justitiar Ulrich Kaschner auch nicht erklären. „Ein Versäumnis“ eben. Bevor jetzt noch weitere Eltern vor Gericht gehen, soll die Rechtsgrundlage schleunigst nachgeholt werden – und wird voraussichtlich so aussehen, dass eine Schule sich mit Zustimmung der Schulbehörde zur Ganztagsschule erklären kann. So wie es bisher schon ist – schlicht deswegen, weil die Schulen nach Bremer Schulgesetz weitgehende „Autonomie“ haben, die Schulbehörde aber die erforderlichen zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen muss.

So war es auch beim Alten Gymnasium: Die Schulkonferenz hatte den Schritt zur Ganztagsschule beantragt, die Bildungsdeputation hatte die Zustimmung gegeben und das Bildungsressort hatte die Mittel zur Verfügung gestellt. So waren am Alten Gymnasium bisher alle davon ausgegangen, dass es sich um den Beginn einer Ganztagsschule – im ersten Schritt nur für die siebten Klassen – handele. Vor Gericht hatte der Justitiar der Schulbehörde dann aber, offenbar aufmerksam gemacht auf sein Versäumnis, behauptet, es handele sich überhaupt nicht um eine Ganztagsschule. Diesen Ausweg für Helden versperrte das Oberverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die eindeutige KMK-Definition.

So musste sich die Schulleiterin Christa Sanders-Terhorst verpflichten, ab dem 4.12. den Donnerstagnachmittag auch für die betroffenen siebten Klassen unterrichtsfrei zu halten. Dafür gibt es montags eine Stunde mehr und die Klassenlehrer-Stunde, in der pädagogische Gruppengespräche stattfinden sollen, wird zugunsten von Fachunterricht gestrichen.

Diese Regelung – es ging vor dem Oberverwaltungsgericht nur um einstweiligen Rechtsschutz der Eltern – gilt allerdings nur, bis die Rechtsverordnung erlassen ist und die Schule die schrittweise Einführung der Ganztagsschule erneut beschließen kann – diesmal dann rechtsgültig.