Kein Bleiberecht für Uwe Schünemann

Der Querschießer aus dem Norden: Niedersachsens CDU-Innenminister legt sich beim Bleiberecht mit der eigenen Partei an. Sogar Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wirft ihm inzwischen vor, sich damit nur profilieren zu wollen

VON KAI SCHÖNEBERG

Jetzt ist auch offiziell Schluss mit „Durchregieren“ à la Merkel. „Das wurde zu rot-grünen Zeiten von der CDU noch über den Bundesrat verhindert. Das werden wir wieder so machen“, kündigte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bereits an, als sich die Große Koalition im Bund gerade erst auf ein neues Bleiberecht geeinigt hatte. Kaum waren die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) ausgehandelten Eckpunkte für ein Bleiberecht auf dem Markt, schoss der Sheriff des Nordens quer: Niedersachsen werde den Koalitionskompromiss für die 190.000 seit langem in Deutschland geduldeten Flüchtlinge notfalls durch eine Blockade im Bundesrat verhindern.

Bevor es dazu kommt, wird der Hardliner heute und morgen auf der Konferenz der Innenminister in Nürnberg verhandeln müssen. Gestern war Schünemann neben seinem bayrischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU) der Einzige, der das Berliner Papier öffentlich kritisierte. „Das ist die beste Bleiberechtsregelung, die wir in den vergangenen Jahren ausgehandelt haben“, sagte dagegen der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner (SPD). Die Vorschläge wiesen in die richtige Richtung, betonte auch Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos). In Nürnberg müssten nur noch „Details“ geregelt werden. Allein in Hamburg leben rund 17.000 geduldete Flüchtlinge, in Niedersachsen sind es rund 20.000. Nach den Koalitionsvorschlägen könnte etwa die Hälfte von ihnen vorerst bleiben.

Immerhin: Bislang wollte Schünemann nur Eltern mit schulpflichtigen Kindern einen Aufenthaltsstatus gewähren, die länger als sechs Jahren mit Kettenduldungen in Deutschland leben. Inzwischen ist er auf Schäubles Vorschlag eingeschwenkt, auch Ledige, die länger als acht Jahre hier leben, hierbleiben zu lassen. Ganz offen legt sich „Minister Erbarmungslos“ aus Holzminden aber in einem anderen Punkt mit Schäuble an.

Laut Koalitionskompromiss sollen diejenigen ein Bleiberecht erhalten, die Arbeit vorweisen können. Dafür haben sie nach dem Schäuble-Müntefering-Papier zwei Jahre Zeit. Schäuble nennt das eine „Aufenthaltsgenehmigung auf Bewährung“. Damit soll eine widersprüchliche Praxis beendet werden. Denn nach aktueller Rechtslage dürfen „Geduldete“ nur begrenzt arbeiten: im ersten Jahr gar nicht, danach nur, wenn sie keinem Deutschen den Job wegnehmen. Damit fallen sie fast zwangsweise in die Sozialhilfe – und damit dem Steuerzahler zur Last. Ein prima Stammtisch-Thema.

Schünemann setzt noch einen drauf: Die Flüchtlinge sollten erst das Aufenthalts-Siegel erhalten, wenn sie bereits Arbeit vorweisen können. Das würde für viele Geduldete, die seit Jahren nicht arbeiten dürfen, den Rauswurf bedeuten. Die Berliner Einigung zeige, „dass auch beim Bundesinnenminister die Kenntnis über die Praxis vor Ort nicht sehr ausgeprägt ist“, betonte Schünemann gestern in mehreren Interviews. Der Vorschlag öffne die Tür zur „Zuwanderung in die Sozialsysteme“. Da die meisten Flüchtlinge während der Arbeitssuche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezahlt werden, gehe die „Einigung zu Lasten der Kommunen“. Es gehe um Belastungen in Millionenhöhe.

Die Kritik an Schäuble sei in ihrer Art und inhaltlich „vollkommen unangemessen“, sagte Schünemanns Amts- und Parteikollege aus Brandenburg, Jörg Schönbohm. Schäuble selbst erwiderte ungerührt, die Menschen erwarteten Problemlösungen, keine „Profilierungsdebatten“. Ganz ähnlich Niedersachsens Ex-Innenminister: „Es wäre fatal“, sagte Heiner Bartling (SPD), „wenn die Pläne „wegen der Profilierungssucht eines niedersächsischen Ministers scheitern würden.“

Nicht nur in seiner Partei, auch in der schwarz-gelben Koalition scheint Schünemann weitgehend isoliert: Die Berliner Eckpunkte seien ganz klar liberale Linie, sagte Niedersachsens FDP-Fraktionschef Philipp Rösler. Er „hoffe, dass auch Innenminister Uwe Schünemann nach einigen Gesprächen mit seinen Kollegen einen Kompromiss finden wird“. Eine charmante Formulierung, um den CDU-Rechtsaußen darauf hinzuweisen, dass das Land Niedersachsen den Kompromiss keinesfalls im Bundesrat ablehnen werde.

„Zynisch“ nennt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat Schünemanns Haltung: „Es kann nicht angehen, dass man Menschen zuerst über Jahre den Zugang zu Arbeit verweigert, und ihnen dann vorwirft, dass sie keine Arbeit finden.“