schurians runde welten
: Merkel läuft im Fußballblock

„Die Liga ist schon verrückt und alle stehen dicht beieinander.“

(Christian Wörns)

Angela Merkel will ich nicht zur Feindin haben. Wie eine Revolverheldin taxiert sie ihre Gegenspieler, hat was von Clint Eastwood. Sieht sie etwa Roland Koch, kneift die Kanzlerin die Augen zusammen, taucht Jürgen Rüttgers auf, scheint Merkel wie der eiskalte Blonde im Poncho auf einem Zigarillo herumzukauen – ich habe es erst am Mittwoch im Fernsehen mit ansehen müssen. Und weil ich nicht zerquetscht werden will wie eine Laus, muss ich Abbitte leisten.

Vor einigen Monaten habe ich Merkel unterstellt, sich nicht allzu viel aus dem Fußballsport zu machen, bei der Verleihung von entsprechenden Medaillen oder Weltpokalen schon einmal auf die Uhr zu sehen, eine SMS zu schreiben, während die Fußballwelt komplett ausrastet. Wie jeder weiß, ist es ganz anders.

Längst ist Angela Merkel Ehrenmitglied aller ostdeutschen Fußballvereine geworden. Wie Klinsmann, Kaiser, Klopp gehört auch die Kanzlerin längst zum inneren Kickerkosmos. Ein Fernsehportrait über ihr erstes Amtsjahr lief deshalb am Mittwoch Abend im ZDF-Fußballblock – direkt nach dem Zypern-Spiel und vor Holland-England. Merkel war zudem schon immer Fußball: Dem ZDF erzählte sie, in Bonn, als Umweltministerin, sei sie auch schon gerne ins Stadion gegangen. Und wer immer noch an Angelas Fanseele zweifelt, für den gibt es ihre niedlichen Freubilder von der Fußballweltmeisterschaft auf YouTube.

Wie Merkel längst zu einem soliden Fußballabend gehört, gehört die so genannte Fankultur zu YouTube, der globalen Filmchensammlung im Internet. Zum Stichwort Schalke darf man dort etwa aus 800 Clips wählen. Was zu sehen ist, ist sehr aufschlussreich: Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Filme allesamt von Handyhaltern aufgenommen, man hört Stadionbeschallung oder Fangesänge, Arme und Fahnen ragen ins schwankende Bild, die Anzeigetafel. Keine Handlung, das von allem Sinn entkernte Dasein.

Schonungslose Wahrheiten zeigt auch ein blauweißer Ausnahme-Clip: Darin singt ein angetrunkener Mittfünfziger vor einer Werbetafel für deutsche Wurstwaren den Schalker Schlager: „Ein Leben lang, die selbe Unterhose an“. Warum will Merkel da zugehören?

19.11. Paderborn – Fürth

So gesehen kann sich die Ostwestfalen-Megacity freuen, dass der Sportclub Paderborn nur 44 YouTube-Einträge erreicht. Und darunter sind zwei Clips, in denen Nachwuchskicker Fußballtricks vollführen. Wer so einen Nachwuchs hat, muss gegen die Franken nicht bange sein; und außerdem kommen die Fürther nur auf 18 Fan-Clips.CHRISTOPH SCHURIAN