„Frauen sollen Chefs werden“

Sie geben sich ein neues Wirtschaftsprofil und wollen Selbständige fördern. Biedern sich die Grünen beim bürgerlichen Lager an? „Das werden wir nicht tun“, sagt Hamburgs GAL-Chefin Anja Hajduk

INTERVIEW: HANNA GERSMANN

taz: Frau Hajduk, jedes vierte Kind in Hamburg ist arm – egal?

Anja Hajduk: Im Gegenteil, das ist eine besondere Herausforderung für die Gesellschaft und die Politik.

Warum machen Sie sich dann jetzt ausgerechnet für das Wohl der Selbständigen und Mittelständler stark?

Sie spielen an auf unser neues Wirtschaftspapier …

„Mehr Wert – Grüne Marktwirtschaft“. Darin steht, dass sie Unternehmer fördern wollen.

So einfach machen wir es uns nicht. Wir wollen uns um junges Unternehmertum kümmern und haben hierbei bestimmte Zielgruppen benannt wie Migranten oder Frauen.

Gibt es keine besseren Gründe mehr, die Grünen zu wählen?

Wir erhoffen uns mehr Zuspruch, weil wir zeigen, dass wir in der Wirtschaftspolitik etwas originär Grünes zu bieten haben. Wir wollen Wohlstand mit weniger Ressourcenverbrauch erreichen. Mit einer Veränderung in der Werteskala der Partei hat das nichts zu tun.

Was verstehen Sie unter einem grünen Wirtschaftsprofil?

In funktionierenden Märkten geht derjenige unter, der Energie und Materialien verschwendet. Der Markt ist das beste Mittel, um effiziente Produkte und Verfahren zu finden. Wir geben dafür soziale und ökologische Leitplanken vor.

Welche Planken sind das in den nächsten fünf Jahren?

Wir wollen zum Beispiel, dass jeder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat. Wir konzentrieren uns dabei auf den Niedriglohnbereich. Wir schlagen ein Modell langsam ansteigender Sozialversicherungsbeiträge vor. So sollen die Lohnnebenkosten in den Einkommensbereichen unterhalb 2.000 Euro sinken.

Was noch?

Wir wollen mehr Informationsrechte für Verbraucher und fairen Wettbewerb in der bislang zu konzentrierten Energiebranche.

Die Grünen bekennen sich zum Markt. Was unterscheidet Sie von der FDP?

Wir scheuen uns nicht, Zumutungen im Interesse des Gemeinwohls auszusprechen. Wir lehnen Honorarregelungen für Rechtsanwälte und Architekten ab. Die FDP hat doch immer Beißhemmungen bei den verkrusteten Strukturen ihrer Klientel.

Was gewinnen die Grünen, wenn sie sich dem bürgerlichen Lager annähern?

Es ist zu schlicht, zu glauben, wir wollten uns kompatibel machen mit anderen Parteien. Das denkt nur, wer die Wirtschaftspolitik aus traditioneller Zuschreibung für eine Domäne der CDU und der FDP hält. Es gibt keinen Grund, Konservativen und Neoliberalen die Wirtschaft zu überlassen. Wir werden uns nicht einem anderen Lager anbiedern.

Wollen Sie den Ruf loswerden, dass die Grünen die Wirtschaft gängeln?

Es ging nie um Gängeln. Die Erde hat Fieber. Die Bevölkerung wird älter. Jobs werden weniger. Das Bewusstsein wächst massiv, dass wir unser Wirtschaften ändern müssen. Natürlich müssen wir da auch Anforderungen an die Wirtschaft stellen.

Treten Sie offensiv für eine Steuer auf Treibhausgase ein?

Vom Grundsatz ist es richtig, den Energieverbrauch zu besteuern. Erst mal wollen wir aber die Steuererleichterung schrittweise reduzieren, die es noch für energieintensive Branchen gibt.

Die Autokonzerne weigern sich, spritarme Autos auf den Markt zu bringen. Wie brechen Sie die Blockade auf?

Das werden die deutschen Autokonzerne teuer bezahlen. Japaner wie Toyota sind technologisch weiter und deshalb erfolgreicher.

Die grüne Marktwirtschaft hat Grenzen?

Ja, denn ein wirtschaftspolitisches Papier kann nicht auf alle Fragen Antworten geben.