: Frau Feuerstein
Am liebsten würde sie auch in der Küche Steine schlagen, aber ihr Mann will das nicht. „Ich glaube, er hat Angst, dass ihm Steine ins Essen fliegen“, erzählt Berit Valentin Eriksen. Dabei will sie doch nur probieren, Flintsteine – also Feuersteine – so zu bearbeiten, wie es die Altsteinzeit-Menschen taten.
Mit denen befasst sich Eriksen, die jetzt den renommierten dänischen Westerby-Preis bekam, auch beruflich. Schon als Siebenjährige hob sie Steine auf und fragte ihren Eltern Löcher in den Bauch. Und noch heute wird sie ein bisschen emotional, wenn sie erzählt, wie es ist, einen Stein in der Hand zu halten, den zuletzt vor 15.000 Jahren jemand in Händen hielt. „Es ist schwer zu erklären, aber dann merke ich, wir verstehen uns.“
Und weil das so ist, hat sie ihr ganzes Wissenschaftlerinnenleben lang nichts anderes betrieben als Altsteinzeit-Forschung. Das ist nicht irgendeine Epoche, denn sie gilt – gerade, weil erstmals Steine zu Werkzeugen verarbeitetet wurden – als wichtiger Schritt zur Menschwerdung. „Denken wie ein Flintschläger“ und „Flintobjekte als Zeugnisse der Gesellschaftsstruktur“ lauten deshalb auch die Titel von Eriksens Büchern. Lehraufträge in Kiel und im norwegischen Bergen hat sie auch.
Auf Schloss Gottorf in Schleswig leitet sie das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie. Der Ostseeraum sei eine sehr interessante Gegend, sagt sie, denn die Menschen, die dort zum Ende der Eiszeit – dem Beginn der Altsteinzeit – siedelten, „waren echte Pioniere“.
Damals schmolzen die Gletscher ab, die auch Schleswig-Holstein bedeckten, die Temperaturen stiegen, Menschen aus Südeuropa wanderten ein. Vielleicht trieb sie die Not, vielleicht folgten sie den vor der Wärme fliehenden Rentierherden. „Jedenfalls finde ich das sehr mutig: In fragilen Booten bis Skandinavien zu fahren und nie zu wissen, wo die nächste Mahlzeit herkommt in dem riesigen, fremden Land“, sagt Eriksen. Es klingt, als wäre sie gern dabei gewesen. PS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen