GESETZESTEXT
: Denkwürdiges Relikt

Meine Augen blieben ab und an an einzelnen Wörtern hängen

Wenn am 25. Mai das Volk, und damit auch ich, seine Stimme über die Zukunft des Tempelhofer Feldes abgibt, werde ich nicht in der Stadt sein. Deshalb habe ich – zusammen mit der Europawahl – bereits Briefwahl gemacht. Schnell waren die Kreuze gesetzt. Doch kaum waren der rote und der blaue Umschlag verschlossen, fühlte ich mich verpflichtet, die den Briefwahlunterlagen beigelegte „Amtliche Information zum Volksentscheid über den Erhalt des Tempelhofer Feldes“ der Landesabstimmungsleiterin zu lesen, in dem man sich über das Für und Wider im Wortlaut informieren kann.

Auf Seite 18 fand ich ein Exemplar von Satz, das der Länge einer Landebahn alle Ehre machte und sich über zehn lange Zeilen hinzog. Meine Augen flogen über die Buchstaben, ab und an blieben sie an einzelnen Wörtern hängen: Luftaustauschfunktion. Kaltluftentstehungsgebiet. Größendimensionierung. Naturhaushalt. Erholungswert. Und dann, auf Seite 21, stieß ich auf einen Satz, der sage und schreibe zwölf Zeilen für sich beanspruchte.

Ich finde, jeder, der will, dass das Tempelhofer Feld nicht verändert wird, sollte diesen Satz wenigstens einmal gelesen haben: „Zu erhalten und unterhalten ist als Gesamtanlage das eigentliche Flugfeld in seiner gesamten Größendimensionierung und Ausprägung als Flugfeld wegen seiner besonderen kulturhistorischen Bedeutung als denkwürdiges Relikt der Flughafennutzung in seiner historischen Authentizität mit seinen zwei Lande-Startbahnen, dem Rundweg und dem Radarturm im Sinne eines visuell und im Gelände erfahrbaren Ensemble, bestehend aus den Start-und Landebahnen, und dem Rundweg als Markierung im offenen, nicht verbauten Grünland und dem angrenzenden Flughafenvorfeld, dem unter Denkmalschutz stehenden Flughafengebäude und dem Radarturm.“

BARBARA BOLLWAHN