Strafverschärfung

AUS KARLSRUHECHRISTIAN RATH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen Mounir el Motassadeq deutlich verschärft: Der Freund der Attentäter vom 11. September 2001 wurde nun doch wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Im vorigen Jahr hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg dem Marokkaner lediglich Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Nun wird die bisher verhängte Haftstrafe von sieben Jahren voraussichtlich erhöht. Das neue Strafmaß wird das OLG demnächst in einer neuen Verhandlung klären.

Der heute 32-jährige Student gehörte zur Hamburger Clique um Mohammed Atta. Die Al-Qaida-Zelle tötete 2001 bei Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon über 3.000 Menschen. Nach Feststellung des OLG stand Motassadeq zwar am unteren Ende der Gruppenhierarchie, war aber an der Vorbereitung der Anschläge beteiligt, indem er Geld überwies und die Abwesenheit von Gruppenmitgliedern verschleierte. Beihilfe zum Mord hatte das OLG verneint, weil dem Marokkaner die „Dimension des Unrechts“ der späteren Tat nicht klar gewesen sei.

Dieses Urteil hat der 3. Strafsenat des BGH jetzt aufgehoben. Motassadeq habe gewusst, dass vier Flugzeuge entführt und für Anschläge verwendet werden sollten. Deshalb habe er zumindest zur Ermordung der 246 Insassen und Besatzungsmitglieder der Jets vorsätzlich Hilfe geleistet. Der BGH folgte damit dem Antrag von Bundesanwalt Gerhard Altvater.

Die Revision des Angeklagten wurde dagegen abgelehnt. Verteidiger Gerhard Strate hatte argumentiert, die Tatbeiträge von Motassadeq hätten das „Gewicht von Schwanenflaum“. Der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf bewertete diese Metapher jetzt als „überpointiert und verunglückt“. Auch ein kleiner Tatbeitrag könne als Beihilfe strafbar sein. Im Übrigen seien Motassadeqs Handlungen nicht geringfügig gewesen.

Motassadeqs weitere Anwälte, Udo Jacob und Ladislav Anisic, hatten Fehler in der Hamburger Beweisaufnahme gerügt. Motassadeq habe zwar zeitweise der Gruppe um Atta angehört, sei zu der Zeit jedoch von einem Kampfeinsatz bei den Rebellen in Tschetschenien ausgegangen. Auch diese Rüge hatte keinen Erfolg. Der BGH müsse die Beweiswürdigung der Hamburger Richter akzeptieren, in der Urteilsrevision könnten nur Rechtsfehler korrigiert werden, erläuterte BGH-Richter Tolksdorf. Verteidiger Jacob sagte nach der Verkündung: „Der BGH hat hier ein eindeutiges Fehlurteil nicht korrigiert, sondern verschlimmert.“

Die neue Verhandlung an einem anderen Senat des Hamburger OLG wird eher kurz sein, vielleicht nur einen Tag. Hier wird es nur noch um die Höhe des Strafmaßes gehen, Höchststrafe für Beihilfe zum Mord sind 15 Jahre. Eine neue Beweisaufnahme ist nicht vorgesehen. Der BGH hielt es für „ausgeschlossen“, dass eine erneute Prüfung der Frage, was Motassadeq über die geplanten Anschläge wusste, bessere Erkenntnisse bringen könnte. In die Bewertung der Tat sei aber einzubeziehen, dass letztlich nicht nur 246 Menschen, sondern rund 3.000 gestorben seien, sagte Tolksdorf mit Blick auf die Anwälte der Opfer.

Er verteidigte vorsorglich die lange Verfahrensdauer: Der Prozess sei zwar immer noch nicht abgeschlossen, aber dem Abschluss „einen großen Schritt“ nähergerückt. Motassadeq war bereits 2003 zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt worden. Tolksdorfs BGH-Senat hatte das Urteil aber aufgehoben, weil das OLG zu wenig berücksichtigte, dass die USA Beweismittel zurückhielten.

Motassadeq war in Karlsruhe nicht persönlich erschienen. Noch ist unklar, ob er sofort in Untersuchungshaft muss oder in Freiheit auf die Verhandlung beim OLG warten kann. Im Namen der amerikanischen Opfer forderte der Nebenklagevertreter Andreas Schulz nach dem Beschluss eine umgehende Inhaftierung Motassadeqs.