St. Pauli? Neumünster!

GEFAHRENGEBIETE

Wenn die stolze Hansestadt Hamburg bisher meinte, großstädtischer, krawalliger und gefährlicher zu sein als das Umland, weiß sie es seit dieser Woche besser: Nicht St. Pauli und Altona stuft die zuständige Polizei als wahrhaft gefährlich ein, sondern Teile Schleswig-Holsteins, darunter Neumünster und die Karl-May-Metropole Bad Segeberg. Dort und an anderen Orten haben die Polizeidirektionen „Gefahrengebiete“ eingerichtet: Beamte können grundlos Passanten anhalten und durchsuchen, und das teilweise schon seit Jahren. Doch anders als in Hamburg, wo die Einrichtung der Gebiete für Ausnahmezustand und kreativen Widerstand gesorgt hat – Stichwort „Klobürste“ –, bekamen die betroffenen BürgerInnen nicht einmal mit, dass sie in einem Sondergebiet mit verstärkten Polizei-Zugriffsrechten leben. Das deckten erst die Medien auf.

Die Polizei und Innenminister Andreas Breitner (SPD), selbst gelernter Polizist, finden nichts Schlimmes dabei: Es sei „normales Mittel“, sagt ein Ministeriumssprecher. Vom „Schutz der Bevölkerung“ sprach Rainer Wetzel, Polizeidirektion Neumünster, und fügte treuherzig hinzu: „Gefahrengebiete erleichtern den Kollegen die Arbeit.“ Die Polizei verweist auf die Rockerkriminalität in Neumünster und auf bandenmäßige Wohnungseinbrüche im Hamburger Speckgürtel.

Weniger an den Arbeitsalltag der Beamten als an die Bürgerrechte denken indes die Abgeordneten fast aller Landtagsparteien: Nicht nur von der Opposition – vor allem von Piraten und FDP – kommt Protest, sondern auch von den Regierungsfraktionen Grüne und SSW.

Beginnt die politische Debatte in Schleswig-Holstein gerade, ist sie in Hamburg schon wieder beendet: Die SPD-Mehrheit lehnte es im Innenausschuss ab, über einen Abschlussbericht zu den Gefahrengebieten vom Januar auch nur zu beraten.  EST