Dieses warme Orange in den Haaren

TEENIE-IDOL Ein paar Jahre war David Bowie mein bester Freund und Impersonator. Er kam mir zugleich fremd und vertraut vor

Neulich war ich auf der Feier eines linken Anwaltskollektivs und traf alte Freunde. Zum Beispiel E. Vor 30 Jahren, als ich nach Berlin gezogen war, hatten wir zusammengewohnt. Ihre Teenagertöchter tranken blaues Beck’s. Ich fragte, ob sie schon kiffen; sie sagten „nö.“

Übers Kiffen kamen wir zu David Bowie. Früher – also Ende der 70er, Anfang 80er Jahre – hatten doch alle immer Bong und Erdloch geraucht, während sie David Bowie hörten, sagte E. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie früher gekifft hatte. Sie sagte, sie hätte eher mitgeraucht. Ich erzählte von dem David-Bowie-Sammelband, den ich herausgeben solle und dass das Buch gecancelt wurde, weil es zur Ausstellung der David-Bowie-Garderoben nicht fertig geworden wäre.

Ganz viel Kokain

Auf der Party kiffte niemand; viele tranken alkoholfreies Bier. Ich dachte, dass ich noch nie Erdloch geraucht habe und dass das Bowie-Buch sicher auch daneben gegangen wäre; ich hatte viel zu viele Notizen gemacht; das Thema war zu persönlich gewesen. Aber vielleicht wäre es auch ganz toll geworden.

In den Bowie-mit-den-orangen-Haaren auf der „Life on Mars“-Single hatte ich mich mit 12 oder 13 Jahren verliebt, das war mein großer Held gewesen. Ich hatte das toll gefunden: die unterschiedlichen Augenfarben und dann dies warme Orange in den Haaren. Wahrscheinlich konnte ich mich mit ihm auch deshalb ganz gut identifizieren, weil er nicht besonders groß war, jünger wirkte, als er war und nicht viel mehr wog, als ich selbst; wegen des ganzen Kokains natürlich. Anfang der 70er, mit 12 oder 13 Jahren, kam mir David Bowie jedenfalls zugleich fremd und vertraut vor. Vielleicht hatte er mich auch an meine Mutter erinnert.

Wie die benachbarten Marc-Bolan-Fans waren auch die Bowie-Fans in meinem Alter, also eher unter 15. Einige seiner berühmtesten Zeilen richteten sich direkt an uns: „And these children that you spit on / As they try to change their worlds / Are immune to your consultations / They’re quite aware/ of what they’re going through“ („Changes“). Und später passte er so gut in die schöne Geschichte der großen Subkulturen, der Vertreter einer aufregenden, geheimnisvollen Gegenwelt, die vor allem in der Provinz strahlte und die gegenüber den Existenzialisten, den Hippies, der Beatgeneration, den Beatles usw. den Vorteil hatte, Gegenwart zu sein.

Ich hatte mich damals in seinen verpeilt verrätselt romantisch-depressiven Liedern wiedererkannt. Ein paar Jahre war David Bowie mein bester Freund und Impersonator. Als Fan war ich beteiligt an seinem großen Ruhm. Später habe ich andere Bowie-Fans kennen gelernt, von denen viele auch einen Schaden hatten.

Wie der Steppenwolf

David Bowie war wie der „Steppenwolf“ von Hermann Hesse: Eine Figur, mit der man sich als gestörter Teenager komplett identifizieren konnte und die den Vorteil hatte, lebendig zu sein. Als Teenager hatten wir oft zusammen gesessen, Tee getrunken, gekifft und David Bowie gehört. Als ich ihn dann die ersten Male auf der Bühne sah, 1983, war aus dem geheimen Superstar gerade ein öffentlicher Megastar geworden.

Und E., meine einstige Wohnungsgenossin, erzählte auf der Anwaltskollektivparty, dass sie David Bowie auf Twitter folgt. Und dass sie im Juni ihren Geburtstag auf der Bowie-Ausstellung feiern wird. DETLEF KUHLBRODT