Kehrtmarsch in der CDU-Schulpolitik

Hamburgs CDU-Senat spendiert seinen sozialen Brennpunkten kleine Klassen mit 18 bis 20 Schülern. Jede dritte Grundschule profitiert. Bis dato hat die Hansestadt mit durchschnittlich 26,8 Kindern die vollsten Klassen der Republik

von KAIJA KUTTER

Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust wird heute Mittag unter dem Schlagwort „Lebenswerte Stadt“ ein 80-Millionen-Euro-Programm für sozial benachteiligte Stadtteile vorstellen. Mehr als die Hälfte davon soll in die Bildung der Kinder investiert werden. Größtes Geschenk wird nach taz-Informationen die Verkleinerung der Klassen auf 18 bis 20 Schüler sein. Davon profitieren sollen fast 70, also jede dritte der 212 Hamburger Grundschulen.

„Wenn wir die Klassen kleiner machen, dann muss es schon ein großer Schritt sein, damit es was bringt“, sagte ein Insider der taz. Geplant ist sozusagen eine Wandlung vom Saulus zum Paulus: Bisher hatte Hamburgs Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig mit ihrer Politik die stetige Vergrößerung der Lerngruppen befördert. Als sie 2004 ihr Amt antrat, saßen durchschnittlich 24 Schüler in einer Grundschulklasse. „Dies können wir uns nicht mehr leisten“, erklärte sie und führte ein neues Anmeldesystem ein, in dem jede erste Klasse mindestens 27 Schüler haben muss. In der Folge sitzen derzeit in jedem vierten Klassenzimmer 29 oder mehr Kinder. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt sind es nur 22 Kinder (siehe Kasten).

Diese Politik der zunächst parteilosen Senatorin, die erst kürzlich in die CDU eintrat, stieß auch der eigenen Fraktion und der Parteibasis sauer auf. Der Schulpolitiker Robert Heinemann brachte deshalb schon vor einem Jahr die Formel in Umlauf: Zwar nicht überall, aber wenigstens in den sozialen Brennpunkten könnte man die Klassen wieder verkleinern. Er erwirkte einen Landesparteitagsbeschluss, der nun umgesetzt wird. Die begünstigten Schulen werden anhand von Sozialdaten ausgewählt, die 2003 im Rahmen der so genannten KESS-Grundschulstudie erhoben wurden. Die Studie teilt Schulen in sechs Grade „sozialer Belastung“ ein. Nur die Schulen, mit „starker sozialer Belastung“, die so genannten „KESS-1“- und „KESS-2“-Schulen bekommen die kleinen Klassen.

Gestützt wird dieses Vorgehen auch auf Studien. Zum Beispiel verfolgte die Langzeituntersuchung „Small Classes in the Early Grades“ der University at Buffalo die Lebenswege von 5.000 Schülern und belegte, dass insbesondere arme Kinder von kleinen Lerngruppen profitieren. Lernten sie in der ersten bis vierten Klasse in kleinen Gruppen, schafften später 25 Prozent mehr den High-School-Abschluss. Unter den übrigen Kindern führten kleine Klassen zu 15 Prozent mehr High-School-Absolventen.

„Ich begrüße den Kurswechsel des Senats“, sagte Hamburgs GEW-Chef Klaus Bullan. Allerdings sei nun eine Debatte eröffnet: „Dass kleine Klassen die Bildungschancen erhöhen, gilt generell für alle Kinder.“

Hamburgs Grüne und die SPD versuchen schon seit Wochen, die CDU bei diesem wahlkampfträchtigen Thema vor sich her zu treiben. Die Grün Alternative Liste (GAL) forderte „keine Klasse über 25 Schüler“. Die Sozialdemokraten schlossen sich dem an und verlangten zudem für die KESS-1 und -2 Schulen, Klassengrößen von maximal 23 Kindern.

Mit seiner gestern bekannt gewordenen 18er Basisfrequenz, die auf höchstens 20 aufgestockt werden soll, hat der CDU-Senat die Opposition überboten. Für den SPD-Schulpolitiker Wilfried Buss kein Problem: „Wenn die CDU das sagt, gehen wir auch auf 18 runter“. Gleichzeitig bleibe er dabei, dass es auch in den übrigen 140 Grundschulen wieder kleinere Klassen geben müsse.

GAL-Schulpolitikerin Christa Goetsch sagte, sie hoffe, „dass der Senat nicht bei der Hilfe für die Grundschulen stehen bleibt und ihren bereits fünf Jahre andauernden Sparkurs gegenüber den Schulen endlich einstellt.“ Sie verwies darauf, dass die CDU seit Regierungsübernahme 800 Lehrerstellen eingespart, Ganztagsplätze für sozial Schwache in Kitas abgebaut und Gebühren für Vorschulklassen eingeführt habe.

Etwas hilflos wirken vor diesem Hintergrund Punkt zwei und drei der CDU-Bildungsoffensive. Jene rund 1.500 Kinder, die einen nachgewiesenen Sprachförderbedarf haben, dürfen wieder gratis in die Vorschule gehen. Auch soll ein großer Teil der 35 Ganztagsgrundschulen neue Erzieher bekommen. Für viele dieser Schulen entfällt damit aber lediglich eine für 2007 noch ausstehende Erzieher-Einsparung, die längst beschlossen war.