Ein Novize übernimmt die Regie

UNION MIT NEUEM TRAINER

Düwels Verständnis von Fußball scheint zur Situation des Klubs zu passen

Vielleicht hilft es, sich Dirk Zingler in seinem Büro vorzustellen, wie er den Kreis der Kandidaten ein letztes Mal durchgeht. Wie der Präsident von Union Berlin sich fragt, ob die Trainerfindungskommission wirklich den Richtigen ausgewählt hat. Ein Stapel von 42 Bewerbungen hatte sich bei Union getürmt, namhafte Bundesligatrainer sollen den Job angestrebt haben. Zingler mag sich eine Zigarette angezündet und sich gesagt haben: Jawohl, das ist fachlich der beste Bewerber, dieser Norbert Düwel.

Diesen Namen kannte bis Dienstagmittag in der Welt des Profifußballs kaum jemand – nun ist Düwel mit Trainingsbeginn am 26. Juni der neue Chefcoach eines Zweitligisten, der künftig gern Erstligist wäre. Eine überraschende Entscheidung; eine, die so ziemlich alle Eventualitäten bereithält.

Düwel, so weiß man inzwischen, war zu Hannovers erfolgreicher Zeit zwischen 2009 und 2013 der Assistent von Mirko Slomka. Der 46-Jährige war auch mal Scout bei Manchester United unter Alex Ferguson. Man weiß damit noch nicht, für welchen Fußball und für welchen Trainertypus er steht. Vermuten darf man, dass er – erklärter Fan des englischen Fußballs – auf schnelles Umschaltspiel, auf rasches Kontern setzt. Also auf eine andere Taktik als die, die der langjährige Erfolgscoach Uwe Neuhaus vor seiner Entlassung Ende April spielen ließ. Neuhaus setzte zuletzt auf Ballbesitzfußball.

Interessanter ist aber, wie Union zu dieser Personalie kam. Darüber kann man nur spekulieren, denn Interna heißen beim Köpenicker Klub nicht nur so, sondern bleiben meist auch solche. Es kann also wirklich sein, dass man strikt nach dem fachlichen Profil und den menschlichen Qualitäten gegangen ist. Eine Selbstverständlichkeit, würde man meinen. Aber im Profifußball wird dann wohl doch eher auf bewährte Namen gesetzt, als dass man einen gut qualifizierten Neuling einstellt.

Der wirtschaftlich inzwischen gesunde Zweitligist hätte sich auch für eine prominentere Lösung entscheiden können. Düwels Verständnis von Fußball aber scheint zur Situation des Klubs zu passen: Er arbeitet bevorzugt mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern, pflegt das dynamischere Spiel. Union hingegen spielte zuletzt oft zu statisch. Der Verein hat hervorragende Nachwuchsteams, von denen die erste Mannschaft noch nicht adäquat profitiert hat. Wieso also nicht einem Novizen eine Chance geben? JENS UTHOFF