LEUCHTEN DER MENSCHHEIT WOLFGANG GAST
: Olympus, Snowden und das große Geld

Fragt man Michael Woodford nach Edward Snowden, dann sagt der ehemalige Olympus-Chef: „Er muss traumatisiert sein, und vermutlich kommt ihm alles sehr surreal vor. Was er öffentlich gemacht hat, ist unglaublich.“ Woodford weiß, wovon er spricht. Schließlich sieht er sich selbst als ungeliebten und verfolgten Aufklärer. Nachzulesen in „Enthüllung – vom CEO zum Whistleblower bei Olympus“ (Wiley-VCH Verlag, 2014)

Rückblick: Drei Jahrzehnte arbeitet der Mann für den Multi – im April 2011 wird er „President of the Olympus Corporation“. Der Engländer ist der erste Westler, der es an die Spitze eines japanischen Konzerns schafft. Sechs Monate später wird er sogar geschäftsführendes Vorstandsmitglied (CEO), um nach nur zwei Wochen wieder gefeuert zu werden.

Wiederholt kritisiert Woodford firmenintern Geschäfte seiner Kollegen. Er moniert die Übernahme von „Mickey Maus“-Firmen, für die der Multi rund eine Milliarde US-Dollar auf den Tisch legt. Woodford empört, dass an Berater 700 Millionen Dollar für „Beratungstätigkeiten“ gezahlt werden. Als der Verwaltungsrat eine Besprechung anberaumt, um über diese Bedenken zu diskutieren, wird der Punkt gestrichen. Stattdessen wird der CEO gefeuert – alles in acht Minuten, wie Woodford schreibt. Später wird sich herausstellen, dass der Konzern über Firmenzukäufe und Millionenhonorare Bilanzfälschung im Milliardenmaßstab betrieben hat.

Was das mit Edward Snowden zu tun hat? Ähnlich wie der Ex-NSA-Mitarbeiter stößt Woodford auf eine Mauer des Schweigens, beschließt, den Skandal publik zu machen. Was gelingt. Die Financial Times berichtet als Erste, Japans Finanzwelt steht Kopf, Manager müssen gehen, und Woodfords Vorgänger kommt vor Gericht.

Zu Snowden sagte Woodford jüngst: „Ich würde gerne mal ein Bier mit ihm trinken und ihm sagen, dass das Leben irgendwann weitergeht.“ Das Bier dürfte er wohl dann ausgeben. Nach einer Klage gegen seine Entlassung einigten sich der Whistleblower und sein Exarbeitgeber auf eine Abfindung von rund 12 Millionen Euro.

Der Autor ist Redakteur der taz