Rache der Illuminaten

HIPHOP In Kenia ist Octopizzo ein großes Tier, jetzt erscheint ein Album in Deutschland. Doch es ist nicht so leicht, einen Rapper zu managen, der in seiner Heimat ein Superstar ist

Den Traum vom Turbo-Aufstieg teilen viele Rapper in Afrika mit ihren Vorbildern in den USA

VON DANIEL BAX

Er hat eine eigene Fernsehsendung und eine eigene Modelinie, die aus T-Shirts, Uhren und Armbändern besteht. Er hat sogar eine eigene Kondommarke entwickelt, deren Special-Edition „In the Dark“ im Dunkeln leuchtet – angeblich, um Safer Sex auch dort zu ermöglichen, wo es keinen Strom gibt. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta suchte vor den Wahlen seine Nähe, um sich in seiner Popularität zu sonnen, und Coca-Cola ist hinter ihm her, um ihn als Werbeträger zu gewinnen. Die Rede ist von Octopizzo, einem der derzeit angesagtesten Rapper Kenias.

Erstmals erscheint ein Album von Octopizzo jetzt auch in Deutschland – beim Münchner Label Outhere Records, das sich auf die urbanen Szenen Afrikas spezialisiert hat. Doch ganz einfach ist es nicht, einen Superstar wie ihn zu managen. Kürzlich folgte er seiner ersten Einladung nach Berlin – und wunderte sich, dass dort am Flughafen keine Limousine auf ihn wartete.

Zuvor hatte er in Kenia ein paar neue Tracks von sich ins Netz gestellt. Auf den zarten Hinweis aus München, dass dies nicht gerade geschäftsförderlich sei, zeigte sich Octopizzo uneinsichtig: Er habe sieben Labels, die an ihm dran seien, entgegnete er. Den Vertrag mit den Münchnern hatte er da schon lange unterschrieben, wohlgemerkt.

Solche Schwierigkeiten sind symptomatisch. Denn wer in Afrika solche kommerzielle Höhen erklommen hat wie Octopizzo, der mag nicht recht einsehen, warum er anderswo wieder nur ein kleiner Fisch sein soll. Zumal sich Octopizzo schon einmal ganz nach oben gearbeitet hat: Der Rapper stammt aus Kibera, einem der größten Slums in Afrika. Er selbst nennt ihn „Chocolate City“, weil der Bezirk mit seinem braunen Schlamm und den rostigen Wellblechdächern bei Regen aussieht, als sei er mit Schokolade überzogen. Der Rapper ist stolz auf seine Herkunft: Seit 2009 lädt er sogar zu Touren durch Kibera, an denen vor zwei Jahren auch US-Rapper 50 Cent teilgenommen hat.

In seinen Videos zelebriert er selbst, wie 50 Cent, das Leben in Saus und Braus, mit Champagner, viel Bling-Bling und Bikini-Girls. Den Traum vom Turboaufstieg teilen viele Rapper in Afrika mit ihren Vorbildern aus den USA. Octopizzo orientiert sich an deren Ästhetik, trägt Basecap, Sonnenbrille und breite Ketten um den Hals, auch sein souliger HipHop-Sound ist stark von US-Mustern geprägt.

Als Namenspatron hat sich der 26-Jährige, der Henry Ohanga heißt, den Octopus gewählt, weil der Tintenfisch mit seinen acht Tentakeln „das mächtigste Tier im Meer“ sei. Außerdem steckt ein Schuss Zahlenmystik dahinter: Denn Kenia gliedert sich in acht Provinzen, Nairobi in acht Bezirke, und die Buslinie, die aus der Innenstadt nach Kibera führt, trägt ebenfalls – richtig – die Nummer acht. Wenn das alles mal kein Zufall ist!

Das kenianische Faible für Verschwörungstheorien hätte ihm selbst aber fast mal den Kopf gekostet. Als sein Hit „Ivo Ivo“ erschien, rätselten Blogger und Boulevardmedien, ob sich dahinter geheime Botschaft der Illuminaten verbergen könnten. Doch was wie „Evil Evil“ klang, war in Wirklichkeit eine Kurzform für „Hivyo Hivyo“, eine kenianische Redewendung, die „Es ist so, wie es ist“ bedeutet.

Auf seiner Webseite steht jetzt, er gehe auf „World Tour“. In Wirklichkeit war Octopizzo nur bei einem „Spoken Word“-Festival in Berlin. Den Aufenthalt hat er trotzdem sehr genossen. Kenianische Zeitungen druckten Bilder von ihm, mit Mütze und Parka vor dem Reichstag und, mit Zigarre, auf der Siegessäule.

■ Octopizzo: „Chocolate City“