nachruf
: Ein blitzgescheiter Erzkapitalist

Milton Friedman hat wie kaum ein anderer Ökonom nicht nur die Wirtschaftswissenschaft, sondern auch die Politik geprägt. Am vergangenen Donnerstag erlag der US-Amerikaner im Alter von 94 Jahren einem Herzversagen. In den vielen Nachrufen wird er zu Recht als der Begründer des Monetarismus gefeiert. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich ein glühendes Plädoyer für die vom staatlichen Interventionismus befreite Entfesselung eines Radikalkapitalismus.

Dafür steht sein 1962 erstmals in Chicago erschienenes Buch „Kapitalismus und Freiheit“, das auch neoliberalen Systemveränderern in Deutschland als Bibel gilt. Friedman zeigte dort an provozierenden Beispielen, wie Politik, Gesellschaft, aber auch Individuen der kapitalistischen Logik zu unterziehen sind. Friedman war felsenfest davon überzeugt, dass die Unterwerfung unter das Prinzip der einzelwirtschaftlich fundierten Marktlogik der Wohlstandsmehrung dient. Sich selbst überlassene Märkte seien, wenn von außen Krisen ausgelöst werden, in der Lage, diese aus eigener Kraft zu bewältigen. Damit trug er erheblich dazu bei, die „Keynesianische Revolution“ durch eine „monetaristische Konterrevolution“ abzulösen. Wenn es zu Wirtschaftskrisen komme – etwa wie der von 1929 –, dann liege die Ursache nicht in der Fehlsteuerung der kapitalistischen Ökonomie.

Friedmans Thesen wurden begierig von Diktator Pinochet in Chile aufgenommen. Heute noch ist die Angst vor diesen „Chicago Boys“ in Lateinamerika groß. Auch Ronald Reagan bezog sich gern auf Friedman als Berater. Und Maggie Thatcher hat sich beim Versuch der Zerschlagung der Gewerkschaften sowie dem Abbau von Regulierungen auf den Chicago-Ökonomen berufen.

Der Missionar Friedman hat nicht die Kraft aufgebracht, die unübersehbaren krisenhaften Folgen zuzugeben. Da dominierte eine sich gegen Kritik immunisierende Tautologie: Wenn die Erfolge ausbleiben, dann ist die Rezeptur nicht falsch, sondern die Dosierung viel zu wenig radikal eingesetzt worden.

Die Lektüre von Friedmans Werk lohnt durchaus. Die Auseinandersetzung mit seinem radikalen Wirtschaftsliberalismus schärft wegen dessen katastrophalen Folgen den Blick für eine soziale und ökologische Gestaltung des Wirtschaftens. Der 1976 mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnete, blitzgescheite Konterrevolutionär gehört mangels praktischer Tauglichkeit seiner Konzepte nur noch in die Ahnengalerie der provokanten Ökonomen.

Rudolf Hickel

Der Autor ist 64 und Leiter des Instituts für Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen