Ein seltener Gast besucht Bagdad

Zum ersten Mal seit 24 Jahren hält sich mit Außenminister Muallem ein hochrangiger syrischer Politiker im Irak auf.Dabei geht es vor allem um Grenzkontrollen. Die Reise fällt in eine Zeit, in der die USA nach einer neuen Strategie suchen

AUS ERBIL INGA ROGG

Erstmals seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein vor gut drei Jahren haben Syrien und der Irak direkte Gespräche aufgenommen. Der syrische Außenminister Walid Muallem traf gestern zu einem zweitägigen Besuch in Bagdad ein. Es ist der erste Besuch eines hohen syrischen Politikers im Irak seit dem Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten vor 24 Jahren.

Muallem werde Gespräche mit dem irakischen Ministerpräsident Nuri al-Maliki und anderen hohen Regierungsvertretern führen, sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmud Osman. Die irakische Seite will Syrien vor allem zu strikteren Grenzkontrollen bewegen. Mehrfach haben die Iraker, aber auch die mit ihnen verbündeten Amerikaner dem Regime in Damaskus vorgeworfen, Gewalt im Irak zu schüren, weil es nichts gegen das Einsickern von sunnitischen Extremisten über die gemeinsame Grenze unternimmt. Zugleich bezichtigt Bagdad das Nachbarland, ranghohen Kadern der früheren Baath-Partei Schutz zu gewähren, die von Syrien aus Umsturzpläne gegen die neue Regierung betrieben.

Damaskus hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und argumentiert, es sei Sache des Irak, die eigenen Grenzen zu sichern. Zumindest in vereinzelten Fällen hat Syrien sogar mit den USA bei der Sicherung der Grenzen kooperiert, indem beispielsweise militärische Operationen im Grenzgebiet geduldet wurden.

Dass beide Länder nicht schon früher direkte Beziehungen aufgenommen haben, ist nur vor dem Hintergrund der scharfen Rhetorik von US-Präsident George W. Bush zu verstehen. Indem Bush Syrien zusammen mit Iran auf die Liste der „Achse des Bösen“ setzte und Washington offen einen Regimewechsel forderte, provozierte die US-Regierung gewissermassen den Widerstand Syriens gegen den Wechsel in Bagdad. Die Führung in Damaskus befürchtete vor allem einen möglichen weiteren US-Militärangriff, diesmal gegen das eigene Land. Dabei hatte Syrien der damaligen Opposition gegen das Saddam-Regime jahrelang Zuflucht gewährt, was auch ein Ergebnis des Kampfs um die regionale Vormacht zwischen den beiden Flügeln der Baath-Partei war, die in Syrien und im Irak herrschten. Neben dem heutigen Staatspräsidenten Jalal Talabani, einem Kurden, hatte Ministerpräsident Maliki über Jahre hinweg von Damaskus aus die Fäden der Untergrundbewegung seiner schiitischen Dawa-Partei gezogen.

Mittlerweile droht der Irak immer tiefer in den Sog eines Bürgerkriegs zu geraten, der auch auf die Nachbarländer übergreifen könnte. Eine Stabilisierung des Irak liegt insofern auch im syrischen Interesse. „Wir unterstützen den politischen Prozess und die irakische Regierung“, sagte Muallem anfang des Monats bei dem Treffen der arabischen Außenminister in Kairo. Zudem sprach er sich für einen Dialog mit Washington aus, um den Irak zu stabilisieren.

Der jetzige Besuch von Muallem kommt zu einer Zeit, in der die USA und Großbritannien nach einer neuen Irak-Strategie suchen. Dabei hat sich der britische Premierminister Tony Blair dafür ausgesprochen, Verhandlungen mit Syrien und Iran aufzunehmen. Nur einen Tag vor Muallem traf der britische Schatzkanzler Gordon Brown zu einem Truppenbesuch in Basra ein, wobei er dem Irak Wirtschaftshilfe in Höhe von 100 Million Pfund zusagte. Unterstützung findet Blair damit offenbar beim ehemaligen US-Außenminister James A. Baker. Dieser hat sich laut dem syrischen UN-Botschafter im Rahmen der „Iraq Study Group“ (ISG) in New York mit Muallem zu einem Gespräch getroffen, um ein mögliches syrisches Entgegenkommen im Irak auszuloten. Das Treffen sei sehr viel versprechend gewesen, sagte der UN-Botschafter. Außenministerin Condoleezza Rice schloss allerdings direkte Gespräche mit Damaskus fürs Erste aus.