Gefühlsmäßig zwischen Baum und Borke

FRAUEN-POKAL Durch zwei Torfraufehler siegen die Favoritinnen vom 1. FFC Frankfurt souverän mit 3:0 gegen die SGS Essen. Am Ziel sind sie damit in dieser Saison aber noch lange nicht

„Ihre Ekstase verstecken sie noch ein bisschen“

NIA KÜNZER, EXNATIONALSPIELERIN UND AKTUELL TV-EXPERTIN, ÜBER DEN JUBEL DER FRANKFURTERINNEN

KÖLN taz | Ein Wort hatte nach dem ausgesprochen aufregungsarmen Pokalerfolg des 1. FFC Frankfurt über die SGS Essen Hochkonjunktur: „Dankbarkeit.“

Der Trainer des Sieger- wie der des Verliererteams, zwei tiefgläubige Männer, wiederholten ihren Lieblingsausdruck nach dem 3:0 der Hessinnen fast im Stakkatorhythmus. Und eine Etage tiefer, im Untergeschoss der Kölner Arena, bewies die eine oder andere Fußballerin, dass sie die Lehre ihres Coaches bereits tief verinnerlicht hat. Zum Beispiel Frankfurts Innenverteidigerin Peggy Kuznik, die mit grellgelb lackierten Fingernägeln und ihrem mit Tattoos zugepflasterten linken Unterarm dastand und sagte: „Ich bin sehr dankbar für alles.“

Bedanken durfte sich die gebürtige Brandenburgerin vor allem bei Lisa Weiß. Denn die Essener Torfrau mit dem eintätowierten Lebensmotto auf dem rechten Außenspann („I will never forget … I will never regret“) dürfte das Kölner Pokalfinale anno 2014 tatsächlich nie vergessen. Die 26-Jährige servierte Favorit Frankfurt das 2:0 durch Kuznik (28.) und den 3:0-Endstand durch Simone Laudehr (36.) auf dem Silbertablett. In beiden Situationen irrlichterte Weiß unter gegnerischen Eckbällen hindurch – und ihre Verwirrung war auch nach Spielschluss nicht gewichen.

„Wir haben drei Standardtore kassiert“, klagte Weiß etwas ungenau, und auch Teamkollegin Sarah Freutel („Das waren zwei dumme Freistoßtore“) zeigte sich nicht ganz analysesicher.

So gewannen die Frankfurterinnen nach dem frühem Führungstor durch die japanische Nationalspielerin Kozue Ando (3.) in ihrem 14. Pokalfinale zum 9. Mal die Trophäe, hingen gefühlsmäßig aber trotzdem zwischen Baum und Borke. Der letzte Titel lag immerhin drei Jahre zurück, was FFC-Manager Siegried Dietrich auch problemlos anzusehen war: „Ich bin unfassbar erleichtert“, gestand er nach dem Spiel. „Der Pokalsieg gibt schon großen Schwung.“

Bei den Feierlichkeiten im Stadion konnte TV-Expertin Nia Künzer davon allerdings noch nicht viel erkennen. „Ihre Ekstase verstecken sie noch ein bisschen“, stellte die frühere Frankfurterin fest. „Aber sie haben ja auch noch etwas vor sich.“

Denn das eigentliche Saisonziel ist eben noch nicht erreicht: Frankfurt, in den letzten Jahren hinter den VfL Wolfsburg und Turbine Potsdam zurückgefallen, möchte in der nächsten Saison mal wieder in der Champions League mitmischen.

Dafür muss das Team von Colin Bell im Endklassement Erster oder Zweiter werden, und die Konstellation in der Liga verspricht für den 8. Juni ein Herzschlagfinale: Nach dem 2:0-Sieg von Wolfsburg am Freitag gegen Potsdam liegen drei Runden vor Schluss der FFC und Turbine punktgleich an der Spitze, der VfL ist nur einen Zähler zurück, zudem warten auf Frankfurt nach dem Gastspiel in Hoffenheim am nächsten Sonntag noch folgende Gegner: Potsdam und Wolfsburg. ANDREAS MORBACH