Ein bescheidener Professor für Palästina

Noch gibt sich der pensionierte Universitätsprofessor bedeckt. Der Name Mohammed Schubair gilt als sicherer Tipp für den neuen palästinensischen Regierungschef. „Nichts ist sicher“, sagt der 60-jährige Mikrobiologe bescheiden. „Warum soll ich jetzt ein Interview geben, wenn nachher doch nichts draus wird.“ Höflich und in fließendem Englisch bittet er die Journalisten um Geduld. Mit seinen Sprachkenntnissen genießt er einen Vorteil vor dem amtierenden Premierminister Ismail Hanijeh, der bei seinen wenigen Gesprächen mit ausländischen Politikern auf einen Übersetzer angewiesen war.

Sollten die Verhandlungen über eine Regierung der nationalen Einheit zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, wird Schubairs erste Mission als Premierminister die Aufhebung des internationalen Boykotts sein. Seit März sind die Haushaltskassen leer. Die Mitarbeiter der Autonomiebehörde befinden sich seit September im Streik. Schubair soll als Feigenblatt der Regierung den Karren aus dem Dreck ziehen und den Weg für die Aufbauhilfe Palästinas ebnen.

Da er kein Mitglied von Hamas ist, gilt er in Europa als salonfähig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er der Bewegung, die von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, nahe steht. Sein Vater, Eid Schubair, war eine führende Figur der Muslimbrüder, aus denen später die Hamas in Gaza hervorging. Mohammed Schubair kam 1946 in Chan Junis zur Welt, studierte zunächst in Ägypten und promovierte anschließend an der West-Virginia-Universität im Fachbereich Mikrobiologie. Nach seiner Rückkehr nach Gaza lehrte er an der Islamischen Universität, zu deren Dekan er 1993 ernannt wurde. Ein Amt, das der Vater von sechs Kindern bis zum Beginn seines Ruhestands vor wenigen Monaten ausübte.

Mit Politik hatte Schubair trotz seines Elternhauses nie viel im Sinn. Als unbeschriebenes Blatt eignet er sich gut dafür, den Westen zu versöhnen, ohne dass die Bewegung ihr Programm verraten muss. Denn mit Schubair soll versucht werden, die Regierung, die offiziell die internationalen Bedingungen für einen Gewaltverzicht und die Anerkennung der bisherigen Verträge akzeptiert, von der Hamas zu trennen, die an ihrer Charta und damit an dem Ziel der Zerstörung Israels festhält.

„Niemand weiß, welche Politik er verfolgen wird, denn er war nie ein Politiker“, kommentiert Professor Ajad Barghuti, Islamwissenschaftler an der Bir-Seit-Universität. „Aber wenn man die Hamas, die Fatah, Israel und die Wünsche der Amerikaner unter einen Hut bringen muss, konnte man nur jemand nehmen, der kein Politiker ist.“

SUSANNE KNAUL