american pie
: Vom Reißen, Brechen und Bersten

Das Spiel in der National Football League wird immer athletischer und schneller. Die Körper der Spieler halten den Belastungen oftmals nicht stand

Man kommandiert zwei Dutzend Spitzensportler herum, darf sein Gesicht auf Werbewänden bewundern, muss kaum mal eine Restaurantrechnung bezahlen und genießt auch sonst allerorten V.I.P.-Behandlung. Spielt man noch im College, führt man die Homecoming Queen zum Abschlussball, und als Profi verdient man Millionen von Dollar. Ein Quarterback ist nicht nur der Chef der Offensivabteilung eines Football-Teams, sondern meist auch dessen Aushängeschild.

Das Dasein als Quarterback hat allerdings auch Schattenseiten: Jeden Sonntag walzen bis zu 160 Kilo schwere Verteidiger auf einen zu, die die offensive Schaltzentrale lahm legen wollen. Dass diese gewissenlosen Fleischberge nur einen Bruchteil des Gehalts des Quarterbacks verdienen, das stimmt sie nicht milder.

Zwar hat die NFL in den letzten Jahren immer wieder Regeln eingeführt oder verschärft, um ihre prominentesten Protagonisten besser zu konservieren. Aber das Verletzungsrisiko bleibt hoch. Bislang mussten schon so namhafte Ballverteiler wochenlang pausieren wie Trent Green (Kansas City Chiefs, Gehirnerschütterung), Matt Hasselback (Seattle Seahawks, Bänderriss), Chris Simms (Tampa Bay Bucaneers, Milzriss) und Byron Leftwich (Jacksonville Jaguars, Fußverletzung). Auch letzten Sonntag fielen die Quarterbacks wieder einmal wie die Fliegen.

So müssen die Philadelphia Eagles für den Rest der Saison auf Donovan McNabb verzichten. Der Quarterback zog sich im verlorenen Spiel gegen die Tennessee Titans einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu, seine dritte schwere Verletzung in den letzten fünf Jahren. Die als Mitfavoriten in die Saison gestarteten Eagles werden nun keine allzu guten Chancen mehr eingeräumt, die Playoffs zu erreichen.

Ganz böse geplagt sind auch die Green Bay Packers. Zuerst musste Quarterback-Denkmal Brett Favre, schon dreimal zum besten Spieler der NFL gewählt, kurz vor der Halbzeitpause gegen New England wegen einer Ellbogenverletzung ausgewechselt werden. Gleich nach Wiederanpfiff brach sich dann auch noch Ersatzmann Aaron Rodgers den linken Fuß, brachte das Spiel zwar zu Ende, aber wird den Rest der Saison ausfallen. Kein Wunder, dass die Packers 0:35 eingingen. Immerhin wird der 37-jährige Favre, der seit September 1992 kein Spiel der Packers verpasst hat, für das kommende Wochenende zurückerwartet.

Doch die maladen Quarterbacks sind nur der sichtbare Kamm einer durch die NFL rollenden Verletzungswelle. Nahezu alle Teams müssen exorbitant viele Spieler ersetzen, die den Belastungen nicht mehr gewachsen sind. Die Spieler werden – unterstützt von besseren Trainingsmethoden und sicherlich auch dem einen oder anderen illegalen Hilfsmittel – immer kräftiger und das Spiel wird immer schneller. Die Knochen, Sehnen und Bänder allerdings bleiben bei dieser Evolution zurück. Sie reißen, brechen und bersten – so oft wie nie zuvor.

THOMAS WINKLER