WARUM, WARUM, WARUM
: Schreiende Fragen

Keiner fühlt sich gestört, mischt sich ein

Mit der Frage nach dem Warum beginnt das Denken. Sie zeugt von Neugier, also davon, das Wesen der Welt begreifen zu wollen. Ich liebe diese Warum-Fragen, die mein knapp fünfjähriger Sohn am laufenden Band stellt. Wie diese – als wir im Berufsverkehr in der vollen S-Bahn sitzen: „Warum ist der ICE da drüben so lang?“ „Damit da viele Menschen mitfahren können“, antworte ich. „Warum wollen die das?“ „Weil sie in einer anderen Stadt Leute besuchen oder arbeiten wollen.“ „Warum …?“

Mein Sohn spricht derzeit nicht – er schreit, denn er hat Hörprobleme. Damit er alles versteht, was ich sage, rede ich sehr laut mit ihm. Mit anderen Worten: Wir unterhalten das Publikum eines halben S-Bahn-Waggons mit unserem Ursache-Wirkung-Frage-Antwort-Spiel. Überraschenderweise interessiert das niemanden: Keiner fühlt sich gestört, keiner mischt sich ein; wir werden regungslos hingenommen wie Obdachlosenzeitungsverkäufer oder Bettler.

„Warum qualmt der Schornstein da?“, fragt das Kind und zeigt auf das Kraftwerk an der Jannowitzbrücke, an dem wir gerade vorbeifahren. „Da wird etwas verbrannt und Strom daraus gemacht“, sage ich. „Was wird da verbrannt, Erdöl oder Kohle?“, will er wissen. „Nein, Gas – wie bei uns zu Hause bei der Heizung.“ „Windräder machen auch Strom“, sagt er. Dann fängt er an, laut zu singen – ein Lied, das er von einer CD eines wunderbaren Musikprojektes namens „Junge Dichter und Denker“ (JDD) kennt, das allgemeinbildende Texte für Kinder in modernem, tanzbarem Sound präsentiert: „Warum geht die Lampe an?/Warum wird die Heizung warm?/ Sind das Tricks oder Magie?/ Nein, das ist Energie!“

Jetzt endlich reagiert eine ältere Frau. Sie lächelt, ein bisschen gequält, und fragt. „Schönes Lied, aber warum singst du so laut?“ Er kann sie nicht verstehen, und ich beantworte auch diese Warum-Frage. RICHARD ROTHER