Mehr Sicherheit für den „Bruder Irak“

Angesichts der Eskalation im Irak kommt die regionale Diplomatie in Bewegung. Bagdad und Damaskus nehmen wieder diplomatische Beziehungen auf. Am Wochenende kommt es möglicherweise zu einem Dreiergipfel in Teheran

Nach den positiven Worten will dieUS-Regierungnun Taten sehen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

In die diplomatische Front rund um den Irak ist Bewegung geraten. Ausgerechnet Iran und Syrien, die auf der US-Liste der „Schurkenstaaten“ stehen, suchen nun nach einem Weg, den Irak zu stabilisieren. Die Regierung in Damaskus nahm gestern nach fast einem Vierteljahrhundert Pause wieder diplomatische Beziehungen mit Bagdad auf. Und am Wochenende findet in Teheran möglicherweise ein bisher einzigartiges Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten des Iran, Irak und Syriens statt.

Der irakische Außenminister Hoschijar Sebari und sein syrischer Kollege Walid al-Muallem unterzeichneten gestern in Bagdad ein Abkommen, laut dem beide Länder umgehend ihre Botschaften wiedereröffnen. Syrien werde mit der Regierung in Bagdad „Hand in Hand zusammenarbeiten, um für den Bruder Irak Sicherheit zu erreichen“, sagte al-Muallem nach einem Treffen mit dem irakischen Premier Nuri al-Maliki. Beide Seiten unterstreichen bis auf weiteres auch die Notwendigkeit einer US-Militärpräsenz im Irak.

„Wenn Syrien oder irgendein anderes Land Problem mit den USA hat, dann sollte das nicht auf dem Rücken des Irak ausgetragen werden“, hatte al-Maliki zuvor verlauten lassen. Al-Muallem betonte, dass er nicht in den Irak gereist sei, um Washington einen Gefallen zu tun. „Ich bin niemandes Pate und sicher kein Vermittler im Namen der USA“, erklärte er. „Was im Irak passiert, geht uns alle an. Es ist in unserem Interesse, sich an der Stabilisierung des Irak zu beteiligen.“ Doch es ist ein sich andeutender Strategiewechsel in Washington, der in Damaskus zum Umdenken geführt hat. Die „Irak-Studiengruppe“ unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Außenministers James Baker sucht derzeit einen Ausweg aus der irakischen Krise und diskutiert eine stärkere Einbeziehung des Iran und Syriens, beides Länder, die die USA als „Schurkenstaaten“ bisher isolieren wollen.

Das Regime in Damaskus könnte durchaus seinen Einfluss geltend machen, beispielsweise indem es das Einsickern ausländischer Kämpfer über die syrisch-irakische Grenze unterbindet. Damaskus gilt zudem als wichtiger Zufluchtsort für Vertreter des alten irakischen Regimes und verschiedener Gruppen irakischer sunnitischer Aufständischer. Die ersten Reaktionen in Washington waren zurückhaltend. „Den positiven Worten sollten konkrete Taten folgen“, lautet der Kommentar des Sprechers des US-Außenministeriums, Tom Casey.

Der US-Militärsprecher in Bagdad, Generalmajor William Caldwell, spricht von 70 bis 100 ausländischen Kämpfern, die monatlich die Grenze überqueren. Dieses Jahr seien 425 dieser Kämpfer getötet und 670 verhaftet worden. 20 Prozent davon seien Syrer. Die meisten kämpften in der irakischen Provinz Anbar und Mossul. „Wenn Syrien tatsächlich eine neues Kapitel mit dem Irak aufschlagen will, dann würde das einen großen Unterschied machen“, meint auch Chasro Goran, Vizegouverneur von Mossul. Zwar könne der Terror dadurch nicht besiegt, aber um die Hälfte reduziert werden.

Am Wochenende könnte sich die neue Nachbarschaftsinitiative für die Stabilisierung des Irak ausweiten. Der Iran hat die Präsidenten des Irak und Syriens zu einem Gipfeltreffen nach Teheran eingeladen. Mahmud Ahmadinedschad, Dschalal Talabani und Baschar al-Assad wollten dort über die Lage im Irak beraten, teilten irakische Abgeordnete am Montag mit. Sowohl Talabani als auch Assad nähmen teil, verlautete aus der Umgebung des irakischen Präsidenten. Ein Sprecher Ahmadinedschads erklärte dagegen, er wisse nichts von einem Besuch Assads.

Auch der Iran hat dem Irak viel zu bieten: Teheran verfügt über enge Verbindungen zu den schiitischen Parteien im Irak, wie der Dawa-Partei von Premier Maliki, aber auch zum Obersten Rat der Islamischen Revolution (SCIRI). Viele schiitische Politiker haben die Zeit Saddam Husseins im iranischen Exil verbracht. Außerdem liegt in Teheran der Schlüssel zur Kontrolle der schiitischen Milizen. „Der Iran hat seine militärische Infrastruktur im Irak bisher nicht genutzt, sondern eher als eine Garantie angesehen, falls die USA gegen den Iran vorgehen. Sie wollen, dass sich Washington einen solchen Schritt zweimal überlegt“, glaubt der iranische Politologe Nasser Hadian Jazi. Er hat einen „vorsichtigen Optimismus in Teheran für eine Politikwende der USA gegenüber dem Iran ausgemacht. „Es reicht aber nicht, wenn die USA dem Iran sagen, er muss dieses oder jenes tun“, sagt Jazi. Für ihn bedarf es eines „neuen strategischen Denkens auf beiden Seiten“.