SVEN HANSEN ZUR DEBATTE ÜBER SPD-ABZUGSTERMINE AUS AFGHANISTAN
: Feilschen um Formalien

Der Auftritt des Bundesverteidigungsministers mit seiner Frau und einem Talkmaster im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr missbraucht den Afghanistankrieg und die Soldaten als billige Kulisse für eine billige Politikersoap. Doch Populismus ist auch – wenngleich in niedrigeren Dosen – den Oppositionsparteien nicht fremd. Er findet sich in der Forderung der Linkspartei nach „sofortigem Abzug“ ebenso wie in dem Wunsch der SPD und Grünen nach einem Abzugsdatum.

Zumindest bei SPD und Grünen überwiegen die innerparteilichen Formelkompromisse. So überbieten sich die Mitglieder gegenseitig, indem sie einen noch schnelleren Abzug vorschlagen.

Es ist in einer Demokratie gewollt, dass Politiker und Parteien Stimmungen der Bevölkerung berücksichtigen. Doch dass sich ausgerechnet bei SPD und Grünen, unter deren Regierung der Einsatz begonnen wurde, alles nur noch um das Abzugsdatum dreht – gänzlich unabhängig von der Lage vor Ort, ist verdächtig.

Aus Sicht der Parteien ist Populismus verständlich, sie müssen auf Wahlen schielen. Doch hilft das auch den Afghanen? Immerhin war Hilfe mal die Hauptlegitimation des Einsatzes.

Natürlich muss in Deutschland über den Einsatz deutscher Soldaten entschieden werden und nicht in Afghanistan. Aber dem Drängen auf einen schnellen Abzug haftet angesichts der geringen Erfolge und weiterbestehenden großen Probleme der Ruch an, das Scheitern kaschieren und die Verantwortung dafür schnell loswerden zu wollen. Statt Feilschen ums Datum bedarf es inhaltlicher Kriterien, wann gegangen werden darf. Diese würden dann aber wohl das Scheitern dokumentieren und die Abzugsdebatte bei den Deutschen sehr unpopulär machen.

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