Fußfessel für Julian Assange

ANHÖRUNG Wikileaks-Gründer Assange kommt gegen Kaution frei. Er und seine Anwälte befürchten einen Antrag auf Aus- lieferung in die USA

Die schwedische Staatsanwaltschaft hätte es in der Hand, das jetzige Verfahren abzukürzen

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Julian Assange kommt bis zur Entscheidung der britischen Justiz über seine Auslieferung nach Schweden gegen eine Kautionszahlung auf freien Fuß. Der „City of Westminster Magistrates Court“ in London gab mit dieser Entscheidung am Dienstagnachmittag einem Antrag der Rechtsanwälte des Wikileaks-Gründers statt. Die schwedische Justiz wollte laut BBC keine Berufung gegen die Freilassung des Australiers einlegen.

Assange saß aufgrund eines von der schwedischen Justiz erlassenen europäischen Haftbefehls seit einer Woche im Wandsworth-Gefängnis ein. Noch am 7. Dezember war seine Freilassung gegen Kaution abgelehnt worden, jetzt stimmte das Gericht zu. Neben einer Zahlung von 240.000 Pfund gibt es folgende Auflagen: Assange muss seinen Pass abliefern, eine elektronische Fußfessel tragen, sich täglich bei der Polizei melden und er darf seine Wohnung nur eingeschränkt verlassen.

Für den 11. Januar 2011 wurde ein Termin festgesetzt, bei dem es um die Frage der eigentlichen Auslieferung gehen wird. Assange und seine Anwälte haben angekündigt, eine Überstellung nach Schweden mit allen Mitteln zu vermeiden. Mark Stephens, britischer Anwalt des Australiers, erklärte gegenüber dem TV-Sender al-Dschasira, er misstraue der schwedischen Justiz und befürchte eine Auslieferung von Assange an die USA. Nach seinen Informationen werde an einem Gericht in Virginia schon an der erforderlichen Anklage gegen seinen Mandanten gearbeitet.

Assange selbst rief über einen Brief an seine Mutter die Welt auf, „meine Arbeit und meine Leute vor diesen illegalen und unmoralischen Handlungen zu schützen“. Unklar ist, ob er neben den Versuchen, die Internetplattform Wikileaks zum Schweigen zu bringen, damit auch die Vergewaltigungsvorwürfe gegen sich meinte. Selbst hatte er diese abwechselnd als politisch motiviert oder einen privaten Rachefeldzug bewertet.

In schwedischen Justizkreisen verwundert die Hartnäckigkeit, mit der sich Assange einer Überstellung nach Schweden widersetzt. Denn sollte tatsächlich in den USA Anklage gegen ihn erhoben und von dort eine Auslieferung gefordert werden, wäre er in Großbritannien nicht sicherer als in Schweden. Akzeptiert die britische Justiz den schwedischen Haftbefehl und überstellt Assange nach Stockholm, könnte er nach schwedischem Recht nicht einfach an die USA ausgeliefert werden. Einem solchen Begehren müsste Großbritannien zustimmen. So dass statt einer die Gerichtsbarkeiten von zwei Ländern darüber befinden müssten.

Andererseits hätte es auch die schwedische Staatsanwaltschaft in der Hand, das jetzige Verfahren abzukürzen, indem man eine Vernehmung Assanges in London anstatt in Stockholm akzeptiert. Dass dies nicht geschieht, schiebt Anwalt Björn Hurtig weniger auf juristische Hindernisse als auf den „menschlichen Faktor“. Offenbar ist mittlerweile zu viel Prestige im Spiel.

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