Glückliche Koteletts

Mit Brottrunk gefütterte Schweine leben gesünder, sind besser für die Umwelt – und liefern auch gesünderes Fleisch für den Menschen. Sagt jedenfalls der westfälische Erfinder des Zaubertranks

VON LUTZ DEBUS

Das Getränk riecht leicht vorverdaut, säuerlich eben. Aber es ist in aller Munde. Zumindest für den gesundheitsbewussten Mitmenschen ist Kannes Brottrunk durchaus ein Begriff. Die trüb-gelbliche Flüssigkeit hilft laut Eigenwerbung gegen Hautkrankheiten und Verdauungsproblemen, stärkt das Immunsystem, verbessert die Blutwerte, verhindert Rheuma und Krebs. Kaum eine Krankheit, der mit dem flüssigen Backferment nicht beizukommen sei. Der Erfinder dieser Substanz, der Bäcker Wilhelm Kanne aus Lünen, nördlich von Dortmund gelegen, liefert die kleinen Fläschchen inzwischen in viele europäische Länder. Ein Öko-Cola-Imperium im südlichen Münsterland.

Was dem Menschen gut tut, kann dem Tier nicht schaden, dachte sich der Biobäcker. Erste Versuche in der Schweinemast sind durchaus eindrucksvoll. Während in den konventionell geführten Zuchtbetrieben etwa fünf Prozent aller Tiere an Lungenentzündungen, Leberschäden oder anderen gefährlichen Erkrankungen sterben, sind dies bei den Höfen, auf denen der legendäre Brottrunk ins Futter beimengt wurde, nur 0,5 Prozent. Entsprechend weniger Medikamente müssen gegeben werden. Die berüchtigte prophylaktische Gabe entzündungshemmender Medizin ist nicht mehr nötig.

Auch das Raumklima in den Ställen verbessert sich. Es riecht nicht mehr so arg. Dies liegt einerseits an dem verringerten Antibiotikaeinsatz. Penicillinurin hat ein strenges Aroma. Außerdem wird der Ammoniak in der Gülle durch die Milchbakterien gebunden. Da die Gülle durch den Brottrunkgenuss auch flüssiger wird, können sich nicht mehr so genannte „Schwimmschichten“ auf der Gülle bilden, in denen Fliegen ihre Eier legen und auf denen sich „Schadnager“ zurückziehen können. Eine fast fliegen- und rattenfreie Schweinehaltung ist die Folge. Der Einsatz der Gülle ist auch weniger problematisch. Da sich nur etwa halb so viel Stickstoff in den Ausscheidungen der brottrunktrinkenden Schweine befindet wie in den konventionell gefütterten Schweinen, kann der Dung doppelt so oft aufs Feld gespritzt werden. Für Bauern, die nicht mehr wissen wohin mit ihren Schweineexkrementen, durchaus eine Perspektive.

Aber auch für den Konsumenten hat die Gabe des Brottrunks Vorteile. Der Harnsäuregehalt im Fleisch wird auf ein Zehntel des normalen Wertes verringert. So können auch rheuma- und gichtkranke Menschen, denen vom Arzt der Genuss von Schweinefleisch abgeraten wird, wieder bedenkenlos zu Schinken und Rollbraten greifen. Außerdem soll das Fleisch schmackhafter und fester sein.

Wilhelm Kanne beschränkt sich bei den Anwendungsgebieten seiner Erfindung aber nicht nur auf Mensch und Schwein. Kühe, Gänse, Enten, auch Pferde, alle Nutztiere könnten mit Brottrunk ein besseres Leben führen, sagt der Bäcker aus Lünen. Offenbar muss es sich bei dem Milchsäure-Gärungsprodukt um ein Wundermittel handeln. Kanne, der auch gelegentlich Fachvorträge über die fachgerechte Wünschelrutenbenutzung hält, ist von seinem Trank jedenfalls völlig überzeugt. Ginge es nach ihm, würden alle Menschen von seinem Produkt profitieren. Wenn es nicht so absonderlich schmecken würde, wäre eine weitere Verbreitung auch durchaus denkbar. Aber so muss der clevere Bäcker aus dem Münsterland entscheidende Wachstumsmärkte wohl tatsächlich vor allem bei den Borstenviechern zu suchen.