Mutter hat immer Recht

ZWEIFELROCK Mit Referenzen an postmoderne Theoretiker oder politischer Standortsuche müht sich die Berliner Band „Mutter“ bis heute nicht ab. Stattdessen gibt es auch auf dem neusten Wurf „Trinken Singen Schiessen“ nur Doppelbödigkeit mit Ausrufezeichen

Dem Mund des Hamburger Schule-Primus Jochen Distelmeyer höchstselbst entstammt der bekannteste Satz über die bis heute notorisch unbekannte Berliner Band „Mutter“: „Später werden Leute sagen: Das hat kein Schwein wahrgenommen – das ist aber das Geilste gewesen.“ Gesagt hat Distelmeyer den gewichtigen Satz in Antonia Ganz’ Film „Wir waren niemals hier“, den sie vor vier Jahren über das Phänomen „Mutter“ gedreht hat.

Seit 24 Jahren prägt die „Mutter“ mit ihrem ganz eigenen wuchtig-schleppenden Stil nicht nur die deutsche Musiklandschaft nachhaltig: Thurston Moore hat deren Vorgängerband „Camping Sex“ und ihr 1985er-Album „1914!“ einst als großen Einfluss auf seine einflussreichen „Sonic Youth“ genannt.

Die „Mutter“ selbst setzte 1989 mit „Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen“ eigene Maßstäbe. Fünf Jahre später galt sie dann schon als „unberechenbarste aller deutschen Diskurspop-Bands“. Dabei zeichnet sich die „Mutter“ im Gegensatz zu all jenen, die sich mit mehr oder weniger deutlichen Referenzen an postmoderne Theoretiker oder politischer Standortsuche abmühen, durch ungewohnte Geradlinigkeit aus. Keinesfalls ironisch meint es Sänger Max Müller, wenn er singt: „Ich will in keiner besseren Welt, ich will in keiner perfekteren Welt, ich will in keiner schöneren Welt leben“. Und selbst der 1996 viele irritierende Album-Titel „Nazionali“ entpuppt sich schlicht als Hommage an eine italienische Zigarettenmarke und eine Referenz an den umgebauten Schweinestall in der Toskana, in der das Album entstanden ist. Sogar, dass die Veröffentlichung von „Europa gegen Amerika“ am 10. September 2001, in dessen Booklet George W. Bush vor brennenden Hochhäusern mit dem expliziten Hinweis „Das ist der Todfeind“ neben dem Gesicht und Micky-Maus-Ohren auf dem Kopf eine Weltkugel verspeist, mit den Terroranschlägen auf das World Trade Center einen Tag später eine so schreckliche reale Entsprechung bekommen hat, mag bis heute niemand der Band, die „sich nicht darum schert, wie man das so machen muss“ (Rocko Schamoni), anlasten.

Heute präsentiert die „Mutter“ ihren neusten Wurf „Trinken Singen Schiessen“. Und hinterher sagt jeder: „Mutter“ hat mal wieder Recht gehabt. MATT

■ Do, 16. 12., 21.30 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84