Normalzeit
: Helmut Höge über Kurt

„Fröhliche Wissenschaft statt Trauerarbeit!“

Im Ex-Post-Museum, das nun eines für Kommunikation ist, wurde gerade eine neue Buchreihe vorgestellt. Titel: „Programm einer Medienwissenschaft“. Sie erscheint im Kulturverlag Kadmos und wird von den Professoren Wolfgang Ernst und Friedrich Kittler herausgegeben. Letzterer erzählte, dass er bei der Umbenennung des Museums mitgewirkt habe und einmal dem Gerücht nachgegangen sei, dass Goethe quasi die Briefmarke erfunden habe: Zu seiner Zeit musste der Empfänger einer Sendung noch für diese zahlen. Goethe habe sich deswegen über seine Fanpost nie richtig freuen können. Angeblich erwirkte er dann bei Thurn & Taxis eine Ausnahmegenehmigung – eine Goethe-Briefmarke sozusagen. Aber das konnte Kittler nicht verifizieren, weil das Thurn-&-Taxis-Archiv dafür zu unaufgeräumt war.

Sodann las der Kulturwissenschaftler Martin Carlé aus seiner Magisterarbeit „Signalmusik MK II“, die als eine der ersten in der Kadmos-Reihe veröffentlicht wurde. Es ist ein seltsames Buch mit einer CD drin und einem Comic von „Kurt“ auf dem Cover, außerdem hat jede Seite einen Trauerrand. Es geht darin um „eine zeitkritische Archäologie des Technosystems QRT“.

QRT steht für Kurt, auch Fascho-Kurt genannt, der mit richtigem Namen Markus Konradin Leiner hieß und aus einer Konstanzer Philosophenfamilie stammte. Er studierte Philosophie an der FU. Einige seiner Professoren bezeichneten ihn als „den Besten“, andere profitierten schamlos von seinen Seminararbeiten. Viele hassten ihn, schon allein wegen seiner knarzenden Nazistiefel auf dem Parkett, wenn er – ewig zu spät – ins Seminar kam. „Drachenblut“ hieß dann seine Magisterarbeit. Danach wurde er Miteigentümer der Schöneberger Punkkneipe „Ex & Pop“ und Journalist beim Veranstaltungsmagazin 030, außerdem spielte er in einer Frauenband mit. Mit einigen Freunden arbeitete er daneben an einer „Hardcore-Theorie“, deren Leitwissenschaft die Pornografie sein sollte – mit Teresa Orlowski als Begründerin einer neuen „Hannoveraner Schule“.

Kurt heiratete gegen Bezahlung eine Nigerianerin. Von dem Geld kaufte er sich einen Porsche. Als er 1996 an einer Überdosis Heroin starb – er hatte sich einen „goldenen Schuss“ gesetzt –, gab seine Mutter einige teure Bilder aus ihrer Sammlung her, die dann verkauft wurden, um mit dem Geld eine Stiftung für junge Schriftsteller zu gründen. Kurts Freunde machten sich daran, seinen Nachlass in seinem Computer – 40 Megabytes – aufzubereiten. Bisher entstanden daraus drei Bücher im Merve-Verlag unter dem Autorennamen QRT.

Martin Carlé, der Autor des Buches über Kurt („Signalmusik MK II“) bezeichnete QRT im „Museum für Kommunikation“ als einen „Media Warrior“, der mit seiner „Zombologie“ die Generation der „Agonie des Realen“ hinter sich gelassen habe und nun endlich – mit dem Namen „Kurt Leiner“ – seinen „Autorenfrieden“ gefunden habe. In seiner Magisterarbeit verfolgte Carlé „die selbst induzierte Auflösung des Eigennamens ‚Kurt‘ (Markus Konradin Leiners) zur a-vokalischen Zeichenkette ‚Q R T‘“. So ein schneller Nachruhm ist selten.