Eine Ikone wider Willen

Drei Monate in der Gefängnisinsel Rikers Island und fünf Jahre Freiheit auf Bewährung. So lautet das Urteil gegen Cecily McMillan. Die 25-jährige Studentin ist die Einzige von rund 3.000 festgenommenen Occupy-Wall-Street-AktivistInnen, die wegen eines Gewaltverbrechens ins Gefängnis muss. Sie soll einen Polizeioffizier absichtlich mit dem Ellbogen geboxt und ihm ein blaues Auge, Kopfschmerzen und mehrere Tage Dienstunfähigkeit verschafft haben.

McMillan bestreitet nicht, dass sie den Polizisten Grantley Bovell mit ihrem Ellbogen gestoßen hat. Doch für sie war das eine instinktive Selbstverteidigung. Denn zuvor habe der Polizist von hinten an ihre rechte Brust gegrabscht.

Für sie endete die Demonstration des 17. März 2012 im New Yorker Zuccotti Park mit zwei Tagen, während derer die Polizei sie in Handschellen zwischen Wachen und Notaufnahmen von Krankenhäusern hin und her transportierte. Fünf Tage später zeigte die wieder freigelassene McMillan ihre blauen Flecken auf der rechten Brust und an beiden Armen. Klagte über ihre Rückenschmerzen. Ihre geprellte Rippe. Ihre Schlaflosigkeit.

Polizeioffizier Bovell hingegen soll noch kräftig genug gewesen sein, um am selben Abend einen anderen Demonstranten mit dem Kopf gegen die Stufen eines Polizeiwagens zu hauen. Doch im Prozess gegen McMillan durfte dieses andere Verfahren nicht angesprochen werden.

In der Occupy-Wall-Street-Bewegung ist McMillan eine Ikone geworden. 175.000 Menschen haben in den Tagen vor der Verkündung des Strafmaßes an New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio und Gouverneur Andrew Cuomo appelliert, sich für ihre Freilassung einzusetzen. Im Gefängnis bekam McMillan unter anderem Besuch von zwei Mitgliedern von Pussy Riot. Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, die zwei Jahre in russischen Gefängnissen verbracht haben, bezeichneten McMillan nach ihrem Besuch als „politische Gefangene“.

McMillan, Mitglied der jungen demokratischen Sozialisten, war im Sommer 2011 zum Studium nach New York gekommen und hatte sich der Occupy-Bewegung angeschlossen. Ihr Urteil will sie anfechten. DOROTHEA HAHN