Wer passt auf Werders breite Brust?

Beim 1:0 gegen den FC Chelsea lief Werder Bremen wieder ohne Trikot-Sponsor auf, wie in allen Champions-League-Heimspielen. Neigt sich die Ehe mit dem Wettanbieter bwin unter der Last des Werbeverbots dem Ende zu? Die taz nord hat schon mal ein paar Vorschläge für die Nachfolge erarbeitet

Es war eines jener Spiele, bei denen man versteht, warum Trikot-Sponsoring ein Millionengeschäft ist. Mittwochabend, Werder Bremen spielt gegen Chelsea London in der Champions League. 26 Kameras sind im Weserstadion installiert, die Partie wird live in 60 Länder übertragen. Unter den 37.500 Fans im ausverkauften Stadion befinden sich insgesamt 270 Journalisten, von denen etliche zum Fotografieren da sind. Die Firmen-Logos auf den Trikots der Spieler gehen an einem solchen Abend um die Welt. Dieser Abend aber ist etwas Besonderes. Denn erstens besiegt Werder das Londoner Star-Ensemble mit 1:0 (siehe SEITE 19) und zweitens laufen die Werderaner mit Trikots ohne Werbung auf. Wie schon bei den vorherigen Champions-League-Heimspielen.

Woran liegt das? Es ist eine Volte im nunmehr Monate andauernden Tauziehen um den privaten Sportwettenanbieter bwin. Dieser ist seit Beginn der Saison Trikotsponsor von Werder Bremen und soll dafür sechs Millionen Euro gezahlt haben. Verschiedene Gerichte aber haben die Werbung für private Sportwetten mit Verweis auf das Glücksspielmonopol des Staates untersagt (taz berichtete). Verbote aber gibt es nicht in allen Bundesländern, was dazu führt, dass die Bremer Profis manchmal mit bwin auf der Brust spielen, und in Bundesländern, wo sie das nicht dürfen, ausweichen auf den Schriftzug „We win!“. Auch bei Heimspielen muss Werder mit „We win!“ spielen. Der Verein klagt dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht und wartet außerdem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Nun spielt bei den Champions-League-Heimspielen auch das Regelwerk der Uefa eine Rolle bei der Entscheidung für werbefreie Trikots. „Man darf in der Champions League nur einmal den Sponsor wechseln“, sagt Werder-Mediendirektor Tino Polster. Man wolle sich für alle Eventualitäten bei der zweiten Runde der Champions League die Möglichkeit eines anderen Hauptsponsors offen lassen. Was aber keineswegs heiße, dass es da konkrete Vorhaben gebe.

Die taz nord hat die blanke Brust der Bremer vom Mittwochabend inspiriert. Wer würde zu Werder Bremen passen als Trikotsponsor? Eine Frage, über die sich wunderbar spekulieren lässt. KLI

Pro Familia

Es war ein geflügeltes Wort der Ära, als Otto Rehhagel Trainer und Willi Lemke Manager bei Bremen war: Die „Werder-Familie“. Man sprach von ihr in den 1980er und frühen 90er Jahren, als sich Lemke noch leidenschaftliche mündliche Fernduelle mit den großkotzigen Bayern lieferte. Und meinte das familiäre Miteinander, die kurzen Wege, das Persönliche im Umgang. Insgesamt eine gewisse Nestwärme, die Spieler und Verantwortliche zusammenschweißt und nahelegt: Werder könnte Pro Familia auf der Brust tragen.

Denn die damaligen Tugenden zeichnen Werder bis heute aus. Wobei Pro Familia als Trikotsponsor nicht nur auf damals und heute verweist, sondern auch auf morgen. Werder möchte sich dauerhaft in der Riege der europäischen Spitzenclubs etablieren. Diese Woche fordert Sportdirektor Klaus Allofs, dass Werder in die „G 14“ aufgenommen werden müsse – die „G 14“ ist eine Vereinigung der besten europäischen Fußball-Vereine. Aus Deutschland gehören ihr Bayern München, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen an.

In der Champions League werden die Bremer nun auf den großen FC Barcelona treffen, es geht dabei um das Weiterkommen in die nächste Runde. Barças Superstar Ronaldinho sieht beide Teams schon auf Augenhöhe: „In der Partie am 5. Dezember gibt es keinen Favoriten“, sagte er am vergangenen Mittwoch. Nur folgerichtig wäre, wenn sich Bremens Annäherung auch durch Pro Familia auf dem Trikot zeigen würde. Denn der FC Barcelona wirbt auf seinen Trikots kostenlos für das Kinderhilfswerk Unicef. kli

Ryanair

Ryanair auf dem Werder-Trikot, das hätte Kontinuität. Vordergründig, weil die Billig-Airline erst diesen Herbst ihre 17. europäische Basis in Bremen eingerichtet hat und Ryanair-Chef Michael O‘Leary beim Eröffnungszeremoniell im Werder-Trikot aus dem Flugzeug stieg. Hintergründiger gedacht, weil Werder Bremen gut wirtschaften kann, Bescheidenheit im Auftritt als Tugend begreift und sich mit Discountern gut auskennt: 2004 unterschrieb man einen Vertrag mit dem Textil-Discounter Kik.

Nach Bremen werden halt keine Fußball-Diven geholt, die nur die erste Klasse Lufthansa kennen. Man holt Talente, bringt sie günstig an die Weser und baut sie auf. Dann gewinnt man Spiele, manchmal gar Titel und setzt sich dann ins Flugzeug, um gemeinsam beispielsweise in London zu landen für ein Match gegen Chelsea. Oder in Barcelona, für ein Endspiel in der Vorrunde der Champions-League. Die Ryanair-Flüge am 5. Dezember von Bremen nach Barcelona sind übrigens ausgebucht.

„Wir sind in Europa angekommen“ sagte Tim Borowski nach dem 1:0-Sieg gegen Chelsea am Mittwoch. Das klingt nach vielen Höhenflügen und nicht mehr sehr bescheiden, könnte aber taugen für einen neuen Spitznamen der erfolgreichen Bremern: Die fliegenden Fische. Das wäre dann die Antwort auf den Schmähgesang „Was ist grün und stinkt nach Fisch“, der in den 70er Jahren entstand – als Werder mit seinem ersten Sponsor, der Fischfirma Norda auflief. Andererseits: Will man wirklich noch an Ryanair denken, nachdem man schon angekommen ist? KLI

Arbeitnehmerkammer

Das Land Bremen ist ja dieser Tage schwer in der Defensive. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Finanzklage vor dem Bundesverfasungsgericht sind seit der Abfuhr für Berlin auf dem Tiefpunkt angelangt. Und im Dezember drohen wieder neue Pisa-Zahlen, die dem Ex-Werder-Manager und amtierenden Bildungssenator Willi Lemke traditionell die Schweißperlen auf die Stirn treiben.

In einer solchen Lage muss alles, was bremisch ist, wie ein Mann zusammenstehen. Und was wäre bremischer als die Arbeitnehmerkammer, jene Zwangskorporation, die die sozialdemokratischen Gründungsväter des Zwei-Städte-Staats einst schufen, um der mächtigen Handelskammer der Hansestadt etwas entgegenzusetzen. Und die es außer in Bremen nur noch im ebenfalls pleituösen Saarland gibt.

„Arbeitnehmerkammer“ auf der Werder-Brust – das wäre eine echte Win-Win-Situation. Für die Arbeitnehmerkammer, weil sie ihren über den Zwangsbeitrag nicht immer beglückten Mitgliedern einen Gegenwert in Form des Gefühls bieten kann, der glorreiche Fußballclub gehöre ihnen irgendwie mit. Und für Werder, weil der Verein sich so der ungeteilten Loyalität der gesamten Arbeitnehmerschaft und somit des Großteils der aktiven Bevölkerung versichern könnte. Und die Unternehmer? Die können sich schließlich Business-Lounges kaufen.

Fehlen nur noch die Arbeitslosen im Boot. Vielleicht könnte die Mannschaft gelegentlich das Signet der Bremer Arbeitsagentur auf der Brust tragen – im Liga-Pokal zum Beispiel. jank

Beck’s

Werbe-Laien fragen sich immer wieder: Warum wird Beck’s nicht Trikotsponsor von Werder Bremen? Das würde doch so schön passen. Die Antwort ist ganz einfach: Sie haben es nicht nötig. Denn in gewisser Weise sind die Brauer Werder Bremen. Ohne viel dafür zu tun. Sie sind ein mittelständisches Unternehmen von der Weser. Sie sind weltweit bekannt. Sie haben die Markenfarbe Flaschengrün. Und sie wenden sich vor allem an die Zielgruppe der jüngeren Männer. Der Effekt: Wenn Werder spielt, denken die Zuschauer ohnehin an kühles Beck’s, auch ohne das Logo zu sehen.

Aber das alles ist Vergangenheit. Heute ist die Familienbrauerei im belgisch-brasilianischen Braugiganten InBev aufgegangen. Und der hat ein echtes Imageproblem, steht bei passionierten Trinkern im Verdacht, der große Gleichmacher der Branche zu sein, der Regionalbrauereien von der Landkarte radiert, um die Märkte für seine Millionenhektoliterware zu bereiten.

Gäbe es da einen geeigneteren Werbepartner als Werder Bremen, die sympathische Regionalmarke mit neuerdings weltweitem Appeal? Allein diese Analogie: Während InBev sich zur Nummer zwei auf dem Welt-Bier-Markt gemausert hat, gelang dem SV Werder dasselbe in der Bundesliga. Und mit den Herren Naldo und Diego zählt der Club zu seinen Angestellten zwei natürliche Botschafter der brasilianisch-europäischen Freundschaft. Schade nur, dass Jelle van Damme zu Saisonbeginn gehen musste. Der Belgier hätte die Inkarnation des Bierkonzerns perfekt gemacht. jank