DIT IS WEDDING
: Verkehrte Seite

Er stiefelte durch ein trockenes Flussbett, folgte einem Canyon

Bornholmer raus, über die Brücke, Treppe runter in die Kirschbaumallee und weiter zur Dolomiten. Die Allee kenne ich gut. Seltsam, denke ich, als ich die Treppe erreiche. Das Tor habe ich noch nie gesehen. Das Tor ist zu.

Also: Außen rum. Es ist dunkel. Niemand ist unterwegs. Seltsam, denke ich, wieso fliegen die Flieger heute auf der verkehrten Seite? Egal, da hinten liegt die Dolomiten. Also weiter den Schrebergärten entlang , um eine Ecke, dann um die folgende, gleich wird die Dolomiten kommen. Ich sehe Flutlicht. Seltsam, denke ich, Flutlicht habe ich von der Allee aus noch nie gesehen. Egal, ich bin bereits viele Schritte gelaufen, also weiter, gleich um die Ecke muss die Dolomiten ja sein.

Da fällt mir eine Geschichte ein, über die ich mich seinerzeit köstlich amüsiert habe. Ein Ranger hatte sie erzählt, in der Wüste Namibias. Knapp gefasst geht sie so: Ein Tourist wollte die Umgebung erkunden. Bald verlor er die Orientierung, realisierte dies, und statt sich sofort umzudrehen lief er weiter und glaubte, hinter der Biegung liege das Camp. Er stiefelte durch ein trockenes Flussbett, er folgte einem Canyon, er wurde müde, hatte Durst, bekam Angst und redete sich zu, ein paar Meter noch, dann würde er das Zelt sehen. Es wurde Nacht, also stockfinster. Am folgenden glutheißen Mittag fand ihn ein Farmer.

Als der Ranger den Gast später fragte, warum er auch noch über den mannshohen Zaun geklettert sei, also über die Grenze des Nationalparks, spätestens da hätte ihm doch klar sein müssen, dass er gefährlichen Unfug betreibe. Da sagte der Gast, er hätte sich auch ein wenig gewundert: über den Zaun. Er sei sich aber sicher gewesen, da gehe es lang zum Zelt.

Da biegt ein Mann mit Hund um die Ecke. Er antwortet: „Ach, Fräulein, se sind ja janz verkehrt. De Dolomiten, det is drüben, det is Pankow. Aber dit hier, dit is Wedding.“ GUNDA SCHWANTJE