Das Lied zur Zeit

Will Freeman zum Beispiel darf den ganzen Tag Fernsehen schauen und manchmal den Frauen hinterher. Sonst muss er nichts tun, schon gar nicht arbeiten. Und das nur, weil sein Vater mal ein Weihnachtslied geschrieben hat. Nun ist Will Freeman nur eine von Nick Hornby in „About a Boy“ hineingeschriebene Romanfigur und dennoch der Beweis, dass man bei der Entscheidung zwischen Sommerhit und Weihnachtssong besser auf die zweite Option setzt. Die mag im ersten Moment zwar nicht der ganz große Reibach sein und auf längere Sicht dennoch lukrativer, weil so ein Weihnachtslied eben alle Jahre wieder auch noch für Rendite sorgt, wenn vom Sommerhit niemand mehr was hören will.

Vorbildhafte Cashcow in dem Saisongeschäft ist natürlich das von Irving Berlin komponierte „White Christmas“. Die klassische Version mit Bing Crosby gilt mit 50 Millionen verkauften Singles als die meistverkaufte Single überhaupt, und zugegriffen hat man auch in Ländern, in denen die meteorologischen Voraussetzungen für so eine Schneeweihnacht gar nicht gegeben sind. Aber was weiß man schon von den Träumen der Menschen: „I’m dreaming of a white christmas, / with every christmas card I write / May your days be merry and bright, / and may all your christmases be white“, heißt es ja in dem Lied, das man bei eventueller Bing-Crosby-Unverträglichkeit sich ersatzweise in der „Wall of Sound“-Verpackung gönnen kann mit Darlene Love. Findet sich auf „The Phil Spector Christmas Album“ aus dem Jahr 1963, womit man auf dem Marktplatz der Weihnachts-Sampler gelandet ist. Da tummelt sich wirklich alles. Weihnachen für jeden musikalischen Geschmack. Etwas Hipness beschert man sich beispielsweise mit „A Christmas Record“ vom mal extrem hippen New Yorker ZE-Label mit The Waitresses, Suicide und so, die unlängst auch bei Thomas Meineckes Plattenhüllenhochhalten-Termin im HAU mit Andreas Dorau zum Einsatz kam und, 1981 erschienen, als „the first-ever alternative Christmas album“ gehandelt wird. Vielleicht aber war der „Denk daran!“-Sampler mit NdW-launigen Stille-Nacht-Liedern aus Düsseldorf von Der Plan und Konsorten, superalternativ und 1980 erschienen, sogar noch früher.

Ist ja auch egal und drängender die Frage, ob sich da draußen im Schnee diese Lieder tatsächlich jemand antut? Freiwillig. Nur, dass man das Zeug mal gekauft hat, ist kein Beweis.

Wenn so ein Lied aber mal abseits der Saison im Radio gespielt wird, darf man sich sicher sein, dass da was im Busch ist. Als „White Christmas“ am 29. April 1975 gesendet wurde, war das Lied das Zeichen zur Evakuierung der US-Soldaten aus Saigon.

„Happy Xmas (War is Over)“. Auch so ein hübsches Weihnachtslied. THOMAS MAUCH